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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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bis irgendjemand fragte: Hey, Galen, wo ist deine
Frau? Wo ist Mausami? Gehört sie auch dazu? Lasst uns Galen auch über die Mauer
werfen!
    Schließlich hatte Ian den Befehl gegeben, sie zu
verfolgen. Galen sah keinen Sinn darin, aber er war jetzt der einzige Second
Captain, denn alle andern waren tot, und er begriff, dass Ian zumindest die
Illusion aufrechterhalten wollte, dass die Wache immer noch alles im Griff hatte.
Irgendetwas musste passieren, sonst würden die Leute jeden über die Mauer
werfen. Und dann hatte Ian ihn beiseitegenommen und ihm von den Gewehren
erzählt. Zwölf Kisten, hinter einer Wand im Lagerraum. Mir persönlich ist
dieser Walker völlig egal, hatte Ian gesagt. Und deine Frau ist deine Sache.
Bring mir nur diese verdammten Gewehre.
    Sie waren zu fünft: Galen hatte das Kommando,
Emily Darreil und Dale Levine kamen als Nächste, und Hodd Greenberg und Cort
Ramirez ritten am Schluss. Sein erstes Kommando außerhalb der Mauer, und was
hatte er? Diesen Idioten Dale, eine sechzehnjährige Läuferin und zwei Leute,
die nicht mal zur Wache gehörten.
    Dieses Unternehmen war Schwachsinn, weiter
nichts. Er seufzte so laut, dass die Läuferin, Emily Darreil, die neben ihm
ritt, ihn fragte, ob etwas nicht in Ordnung sei. Sie hatte sich als Erste
freiwillig für diesen Ritt gemeldet, und neben Dale war sie die Einzige, die
zur Wache gehörte. Ein Mädchen, das etwas beweisen wollte. Alles okay, sagte er
und beließ es dabei.
    Sie hatten Banning jetzt fast hinter sich. Er
war froh, dass er nicht viele Details erkennen konnte, aber was er auf dem Ritt
durch die Stadt sah - wegschauen konnte er ja nicht -, ließ ihm das Mark
gefrieren. Lauter eingestürzte Gebäude und jede Menge verdorrte Slims, die in
ihren Autos vor sich hin rösteten wie Streifen von getrocknetem Hammelfleisch.
Gar nicht zu reden von den Smokes, die wahrscheinlich auch irgendwo lauerten. Ein
Schuss. Sie kommen von oben. Das waren die Worte, die
einem die Wache in den Schädel hämmerte, sowie man acht Jahre alt war. Und nie
verrieten sie einem das große Geheimnis: Dass es lauter Blödsinn war. Wenn ein
Smoke auf Galen Strauss herabkäme, hätte er nicht die geringste Chance. Er
fragte sich, wie weh es tun würde. Wahrscheinlich scheußlich weh.
    Die Wahrheit war: So, wie die Dinge lagen, war
die ganze Geschichte mit Mausami endlich vorbei. Warum hatte er das eigentlich
nicht schon früher gesehen? Na ja, vielleicht hatte er es gesehen und es
einfach nicht über sich gebracht, es zu akzeptieren. Er war nicht mal wütend.
Natürlich, er hatte sie geliebt. Wahrscheinlich tat er es immer noch. Irgendwo
in seinem Herzen würde Mausami immer ihren Platz haben, und auch das Baby. Das
Baby war nicht von ihm, aber er wünschte immer noch, es wäre seins. Ein Kind
konnte dafür sorgen, dass man alles im Leben leichter nahm, selbst das
Erblinden. Ob es Maus und dem Baby gut ging? Wenn er sie finden sollte, würde
er hoffentlich Manns genug sein, um es zu sagen. Ich hoffe, es geht euch gut.
    Sie näherten sich der Rampe zur Östlichen Straße
in zwei Reihen. Himmel, was für Kopfschmerzen! Vielleicht kamen sie nur von dem
Schlag, den Alicia ihm verpasst hatte, doch das glaubte er nicht. Sein ganzes
Sehvermögen schien zusammenzubrechen. Komische kleine Lichtpunkte tanzten jetzt
vor seinen Augen. Ihm war ein bisschen übel.
    Er war so tief in Gedanken versunken, dass er
nicht gleich begriff, wo er war, als er oben auf der Rampe angekommen war. Er
machte halt, um etwas zu trinken. Irgendwo da draußen standen die Turbinen und
drehten sich in dem Wind, der ihm ins Gesicht wehte. Er wollte jetzt nur noch
zum Kraftwerk kommen, sich im Dunkeln hinlegen und die Augen schließen. Die
tanzenden Pünktchen waren noch schlimmer geworden; sie sanken durch sein
schmales Gesichtsfeld herab wie leuchtende Schneeflocken. Irgendetwas stimmte
da ganz und gar nicht. Vermutlich konnte er so nicht weitermachen; jemand
anders würde die Spitze übernehmen müssen. Er wandte sich an Dale, der hinter
ihm herangekommen war. »Hör mal, glaubst du ... ?«
    Aber da war niemand.
    Er drehte sich im Sattel um. Niemand war hinter
ihm. Kein einziger Reiter. Als ob eine Riesenhand sie mitsamt ihren Pferden vom
Angesicht der Erde gepflückt hätte.
    Ein Schwall von Galle stieg ihm in die Kehle.
»Leute?«
    Dann hörte er das Geräusch. Es kam von unterhalb
der Rampe. Ein leises, feuchtes Reißen, als würde nasses Papier
entzweigerissen. Oder als schälte jemand eine saftige

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