Cronin, Justin
mehr als ein paar Kilometer hinter mir
waren.«
Peter drehte sich zu Alicia um. Sollten sie
nachsehen? Aber sie schüttelte den Kopf.
»Ist nicht mehr wichtig«, sagte sie entschieden.
»Sie sind jetzt auf sich selbst gestellt. Genau wie wir.«
Caleb kam über die Leiter an der Rückseite des
Gebäudes herunter und trat zu ihnen in den Schatten. Sie waren jetzt acht.
Peter erkannte plötzlich, wie erschöpft sie alle waren. Keiner von ihnen hatte
geschlafen. Amy stand dicht neben Sara; sie trug einen Rucksack wie alle andern.
Ihre Haut fing an, sich zu schälen. Unter einer alten Schirmmütze, die jemand
im Vorratsraum gefunden hatte, blinzelte Amy mit gleichsam wild entschlossener
Tapferkeit in die Sonne. Was immer sonst der Fall sein mochte, an helles Licht
war sie nicht gewöhnt. Aber daran konnte er jetzt nichts ändern.
Er trat aus dem Schatten des Segeltuchdachs
hervor und schaute zur Sonne. Noch sieben Stunden, bis es dunkel würde. Sieben
Stunden für fünfundzwanzig Kilometer, zu Fuß durch das offene Tal. Wenn sie einmal
unterwegs wären, gäbe es kein Zurück mehr. Alicia schwang sich mit einem Gewehr
über der Schulter auf Hollis' Pferd, eine mächtige sandfarbene Stute. Caleb
reichte ihr das Fernglas hinauf.
»Alle fertig?«
»Weißt du«, sagte Michael, »wenn ich es recht
bedenke, ist es noch nicht zu spät, sich zu ergeben.« Er stand neben seiner
Schwester und hielt unbeholfen ein Gewehr vor der Brust. Alle starrten ihn
stumm an. »Hey. Das war nur ein Scherz.«
»Tatsächlich hat Akku nicht ganz unrecht«,
erklärte Alicia von ihrem Pferd herunter. »Es ist keine Schande,
hierzubleiben. Jeder, der das möchte, sollte es jetzt sagen.«
Keiner rührte sich.
»Also gut«, rief Alicia. »Augen überall.«
Er war nicht für so etwas geschaffen, entschied
Galen. Er war es einfach nicht. Die ganze Sache war von Anfang an ein
Riesenfehler gewesen.
Die Hitze brachte ihn um, und die Sonne brannte
wie eine weißglühende Explosion in seinen Augen. Sein Arsch war vom Reiten so
wund, dass er eine Woche nicht würde laufen können. Rasende Kopfschmerzen hatte
er außerdem, weil Alicia ihm die Armbrust über den Schädel gezogen hatte. Und
keiner in der Truppe hörte auf ihn. Verdammt, keiner tat, was er sagte. Hey,
Leute, vielleicht sollten wir es ein bisschen langsamer angehen. Nichts
überstürzen. Wieso die verdammte Eile?
»Bringt sie um«, hatte Gloria Patal gesagt.
Dieses kleine Mäuschen, das immer Angst vor seinem eigenen Schatten hatte,
soweit Galen es erkennen konnte - aber wie es aussah, hatte Gloria Patal noch
ganz andere Seiten, die er noch nie gesehen hatte. Kochend vor Wut hatte sie
am Tor gestanden. »Bringt mir meine Tochter zurück, aber die andern bringt ihr
um! Ich will, dass sie sterben!«
Es war das Mädchen gewesen, das sagten alle, das
Mädchen und Alicia und Caleb und Peter und Michael und ... Jacob Curtis. Jacob
Curtis! Wie konnte dieser Halbidiot Jacob Curtis für irgendetwas verantwortlich
sein? Das kapierte Galen nicht, aber er kapierte die ganze Situation nicht.
Vernunft hatte mit all dem nichts zu tun, soweit Galen Strauss es übersehen
konnte. Nicht am Tor, wo alle sich versammelt hatten, schreiend, mit den Armen
fuchtelnd - es war, als wollte die halbe Kolonie an diesem Morgen jemanden
umbringen, irgendjemanden. Wenn Sanjay da gewesen wäre, hätte er die Leute
vielleicht zur Vernunft bringen können. Aber er war nicht da. Er war im
Krankenrevier, hatte Ian gesagt, und stammelte und weinte wie ein Baby.
Die Meute war daraufhin losgezogen, um Mar
Curtis zu holen und ans Tor zu schleifen. Sie war nicht diejenige, die sie
eigentlich haben wollten, aber daran war nichts zu machen. Die Leute drehten
durch. Es war eine jämmerliche Szene, wie diese arme Frau, die nie im Leben ein
bisschen Glück gehabt hatte und viel zu schwach war, um Widerstand zu leisten,
von hundert Händen die Leiter hinaufgeschoben und von der Mauer gestürzt worden
war, während alles jubelte. Damit hätte es zu Ende sein können, aber die Meute
hatte gerade erst angefangen, das spürte Galen. Bei diesem ersten Opfer hatten
sie nur Blut geleckt, und Hodd Greenberg schrie: »Elton! Elton war mit ihnen im
Lichthaus!« Und ehe Galen oder sonst jemand sich versah, stürmten sie alle zum
Lichthaus, und unter lautem Gejohle trieben sie den alten Mann, den blinden
alten Mann, zur Mauer. Und stürzten ihn ebenfalls hinunter.
Galen für seinen Teil hatte den Mund gehalten.
Wie lange würde es dauern,
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