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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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am südlichen Ende, und dahinter ist ein dritter. Wenn der
dritte genau in der Mitte zwischen den beiden andern steht, biegt man nach Osten
ab und ist auf dem richtigen Weg.«
    »Und wenn wir es nicht schaffen, bevor es dunkel
wird?«, fragte Peter.
    »Wir könnten uns in Twentynine verkriechen, wenn
es sein muss. Ein paar Häuser stehen da noch. Aber wenn ich mich recht
erinnere, sind es nur Ruinen. Nichts wie diese Feuerwache hier.«
    Peter warf einen Blick zu Amy hinüber, die bei
den andern stand. Sie trug immer noch die Schirmmütze, die sie im Kraftwerk
gefunden hatte. Sara hatte ihr ein langärmeliges, an Kragen und Manschetten
ausgefranstes Männerhemd zum Schutz gegen den Sonnenbrand und eine
Wüstensonnenbrille gegeben, die sie in der Feuerwache gefunden hatten. Der Wind
wehte ihr das Haar aus dem Gesicht. Ein Strahlenkranz aus dunklen, verfilzten
Strähnen flatterte unter der Kappe hervor.
    »Glaubst du wirklich, sie hat es getan?«, fragte
Hollis. »Sie weggeschickt?«
    Peter sah seinen Freund an. Er dachte an die
Zeitschrift im Waschraum, an die lakonische Bildunterschrift auf dem
Titelblatt. »Ehrlich, Hollis? Ich weiß es nicht.«
    »Na, wir wollen hoffen, dass sie es getan hat.
Hinter Kelso gibt's nur offenes Gelände bis zur Grenze nach Nevada.« Er zog
sein Messer und wischte es am Saum seines T-Shirts ab. Als er weitersprach, tat
er es leise und vertraulich. »Weißt du, bevor ich abgehauen bin, habe ich gehört,
wie die Leute über sie redeten. Das Mädchen von Nirgendwo, der letzte Walker.
Die Leute sagten, sie sei ein Zeichen.«
    »Ein Zeichen wofür?«
    Hollis zog die Stirn kraus. »Für das Ende,
Peter. Das Ende der Kolonie, das Ende des Krieges. Der menschlichen Rasse -
oder was davon noch übrig ist. Ich sage nicht, dass sie recht hatten.
Wahrscheinlich war es nur der Blödsinn, den Sam daherredet.«
    Sara kam auf sie zu. Die Schwellungen in ihrem
Gesicht waren über Nacht zurückgegangen, und die schlimmsten Blutergüsse waren
grünlich violett verblasst.
    »Wir sollten Maus reiten lassen«, sagte sie.
    »Ist alles okay mit ihr?«, fragte Peter.
    »Sie ist ein bisschen dehydriert. In ihrem
Zustand braucht sie viel Flüssigkeit. Ich glaube, in dieser Hitze sollte sie
nicht zu Fuß gehen. Und ich mache mir auch um Amy Sorgen.«
    »Was fehlt ihr?«
    Sara zuckte die Achseln. »Es ist die Sonne. Ich
glaube, sie ist nicht daran gewöhnt. Sie hat jetzt schon einen schlimmen
Sonnenbrand. Die Brille und das Hemd werden ihr helfen, aber sie kann in dieser
Hitze nicht ewig so vermummt herumlaufen.« Sie legte den Kopf schräg und sah
Hollis an. »Und was erzählt Michael mir da von einem Fahrzeug?«
    Sie marschierten.
    Die Berge blieben hinter ihnen zurück, und bis
Halbtag waren sie weit in die offene Wüste vorgedrungen. Die Straße war kaum
mehr als eine Andeutung, aber sie war noch zu sehen; sie folgten den Furchen in
der hart gebrannten Erde durch eine Landschaft voller Felsblöcke und seltsamer,
verkümmerter Bäume. Die Sonne glühte, und aus dem grenzenlosen Himmel war alle
Farbe herausgebleicht. Der Wind hatte sich nicht gelegt, er war kollabiert, und
die Luft war so still, dass sie zu summen schien. Die Hitze vibrierte wie die
Flügel eines Insekts. Alles in dieser Landschaft erschien nah und fern zugleich,
denn der endlose Horizont verzerrte jede Perspektive. Wie leicht, dachte Peter,
konnte man in einer solchen Landschaft die Orientierung verlieren und ziellos
herumirren, bis es dunkel wurde. Als sie die Stadt Mojave Junction hinter sich
gelassen hatten - es war keine Stadt mehr, sondern nur ein paar leere
Grundmauern und ein Name auf der Karte -, stiegen sie auf eine kleine Anhöhe,
und dahinter entdeckten sie eine lange Doppelreihe verlassener Fahrzeuge, der
Richtung zugewandt, aus der sie gekommen waren. Die meisten waren
Personenautos, aber auch ein paar Lastwagen waren dabei. Ihre verrosteten, vom
Sand abgeschliffenen Fahrgestelle waren in den Boden eingesunken. Es sah aus,
als seien sie auf einen Friedhof gestoßen, einen Friedhof für Maschinen. Bei
vielen war das Dach zurückgeschält, und die Türen waren aus den Scharnieren
gerissen. Das Innere der Wagen sah aus, als sei es geschmolzen; wenn einmal
Leichen darin gesessen hatten, waren sie längst fort, verweht im Wüstenwind.
Hier und da in den wahllos verstreuten Überbleibseln entdeckte Peter
menschliche Gebrauchsgegenstände: eine Brille, einen offenen Koffer, die
Plastikpuppe eines Kindes. Schweigend wanderten sie daran

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