Cronin, Justin
macht, zu sprechen.
Sie redet uns gern und oft mit Namen an, auch wenn klar ist, wen sie meint, und
das kann manchmal ziemlich peinlich sein. (Gestern hat sie gesehen, wie ich
mich hinter einen Busch verdrückte, und wollte wissen, was ich da wollte, und
als ich sagte, ich müsse pinkeln, hat sie gestrahlt wie ein Honigkuchenpferd
und viel zu laut gemeint: Ich muss auch pinkeln, Sara. Michael hat sich
kaputtgelacht, aber Amy schien das nicht zu stören, und als wir fertig waren,
sagte sie sehr höflich - sie ist immer sehr höflich -: Ich hatte vergessen, wie
man das nennt. Danke, dass du mit mir gepinkelt hast, Sara.)
Das soll nicht heißen, dass wir sie immer
verstehen, denn die halbe Zeit tun wir es nicht. Michael sagt, es erinnere ihn
an Unterhaltungen mit Auntie, aber es ist schlimmer, denn bei Auntie wusste man
immer, dass sie einem was vormachte. Amy erinnert sich anscheinend nicht, woher
sie kommt, außer dass es eine Gegend mit Bergen war und dass es da geschneit
hat. Das könnte Colorado sein, tatsächlich wissen wir es aber nicht.
Anscheinend hat sie überhaupt keine Angst vor den Virais, nicht mal vor denen,
die wie Babcock sind und die sie Die Zwölf nennt. Als Peter sie fragte, wie sie
ihn im Ring davon abgebracht hätte, Theo zu töten, zuckte Amy nur die Achseln
und sagte, als wäre das gar nichts: Ich habe ihn gebeten, es bitte nicht zu
tun. Dieser eine Viral gefiel mir überhaupt nicht, sagte sie. Da dachte ich,
es ist besser, wenn ich bitte und danke sage.
Ein Viral, und sie hat tatsächlich bitte zu ihm
gesagt!
Aber was mir vor allem im Kopf herumgeht, ist
ihre Antwort auf Michaels Frage, woher sie gewusst hätte, wie man die Kupplung
absprengt. Ein Mann namens Gus hat es mir erzählt, sagte Amy. Ich wusste gar
nicht, dass Gus im Zug war, aber Peter erzählte, was mit Gus und Billie
passiert war und dass sie von den Virais umgebracht worden waren, und Amy
nickte und sagte, ja, da hat er es gesagt. Peter war einen Moment lang sehr
still und starrte sie an. Was hat er gesagt?, fragte er, und Amy antwortete:
Er hat es mir gesagt. Als er vom Zug gefallen war. Die Virais haben ihn nicht
umgebracht; ich glaube, er hat sich das Genick gebrochen. Aber er war nicht
gleich tot. Er hat die Bombe zwischen Lok und Güterwagen angebracht. Er wusste
wohl, was mit dem Zug gleich passieren würde, und hat sich gedacht, jemand
sollte die Bombe zünden.
Michael sagt, es muss noch eine andere Erklärung
geben. Gus muss ihr vorher etwas gesagt haben. Aber ich sehe Peter an, dass er
ihr glaubt, und ich glaube ihr auch. Peter ist mehr denn je davon überzeugt,
dass das Signal aus Colorado der Schlüssel zu all dem ist, und ich bin seiner
Meinung. Nach dem, was wir im Hafen erlebt haben, glaube ich allmählich, dass
Amy unsere einzige Hoffnung ist.
Tag 31
Eine richtige Stadt, die erste seit Caliente.
Wir verbringen die Nacht in einer Schule. Es ist ein bisschen wie in der
Zuflucht: Reihen von kleinen Pulten in allen Räumen. Ich hatte Angst, es
könnten wieder Slims drin sein, doch wir haben keine gefunden. Wir wachen in
Zweierschichten. Ich habe die zweite Schicht, zusammen mit Hollis. Ich dachte,
das wird schwierig: ein paar Stunden schlafen, dann geweckt werden, und dann
noch mal ein paar Stunden schlafen bis zum Morgengrauen. Aber mit Hollis
vergeht die Zeit schnell. Eine Zeitlang haben wir von zu Hause gesprochen, und
Hollis wollte wissen, was ich am meisten vermisse. Das Erste, das mir einfiel,
war Seife, und darüber musste Hollis lachen. Ich wollte wissen, was daran so
komisch ist, und er sagte, ich dachte, du würdest sagen, das Flutlicht. Denn
verdammt, dieses Flutlicht vermisse ich, Sara. Und ich fragte, was vermisst du
sonst noch?, und da war er einen Moment lang still, und ich dachte, er würde
sagen, Arlo. Aber das tat er nicht. Er sagte: die Kleinen. Dora und die andern.
Ihre Stimmen im Hof und den Geruch im Schlafsaal in der Nacht. Vielleicht
liegt es an der Bude hier, dass ich an sie denken muss. Aber das ist es, was
ich heute Nacht vermisse. Die Kleinen.
Immer noch keine Virais. Alle fragen sich, wie
lange wir noch so viel Glück haben.
Tag 32
Wie es aussieht, werden wir noch eine zweite
Nacht hier verbringen. Alle müssen sich ausruhen. Der Knaller ist nämlich: Wir
haben ein Geschäft gefunden, Outdoor World, voll mit allen möglichen Sachen,
die wir gebrauchen können, unter anderm Pfeile und Bogen. (Der Gewehrschrank
war leer.) Wir haben jetzt Messer und eine
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