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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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Tag hier abgeliefert
worden. In den nächsten zwei Stunden kam es vor allem darauf an, ihn ruhig zu
halten.
    Das Scheinwerferlicht des nahenden Vans ließ die
Umgebung klarer hervortreten. Richards stieg gerade die Stufen hinunter, als
die Sicherheitsleute, zwei mit Pistolen bewaffnete Soldaten, im Laufschritt
durch den Schnee herankamen. Richards befahl ihnen, Abstand zu halten und die
Waffen im Halfter zu lassen. Er hatte Carters Akte gelesen und bezweifelte,
dass der Mann gewalttätig werden würde; er schien eigentlich ein lammfrommer
Typ zu sein.
    Paulson stellte den Motor ab und stieg aus.
Außen an der Schiebetür des Vans war ein Tastenfeld; Paulson gab eine Nummer
ein, und Richards sah, wie die Tür langsam aufglitt.
    Carter saß auf der vorderen Bank. Er hielt den
Kopf gesenkt, aber Richards konnte sehen, dass seine Augen offen waren. Seine
gefesselten Hände lagen gefaltet auf dem Schoß. Richards sah eine zerknüllte
McDonald's-Tüte auf dem Boden zu seinen Füßen. Zumindest hatten sie ihm etwas
zu essen gegeben. Das Schiebefenster zur Fahrerkabine war geschlossen.
    »Anthony Carter?«
    Keine Antwort. Richards rief den Namen noch
einmal. Nichts, nicht mal ein Zucken. Carter sah aus wie ein Katatoniker.
    Richards trat von der Tür zurück und nahm
Paulson beiseite. »Okay, erzählen Sie«, sagte er. »Was ist los?«
    Paulson zuckte theatralisch die Achseln. Wer,
ich? »Keine Ahnung. Der Typ ist einfach im Arsch. Was
weiß ich?«
    »Quatschen Sie keinen Blödsinn, Junge.« Richards
sah den anderen an, den mit den roten Haaren: Davis. Er hielt einen Stapel
Comics in der Hand. Comics, Herrgott noch mal. Zum tausendsten Mal dachte
Richards: Das waren halbe Kinder.
    »Was ist mit Ihnen, Soldat?«, fragte er Davis.
    »Sir?«
    »Spielen Sie nicht den Dummen. Haben Sie mir was
zu berichten?«
    Der Mann warf einen kurzen Blick zu Paulson
hinüber und sah dann wieder Richards an. »Nein, Sir«, sagte er nervös.
    Er würde sich die beiden später vornehmen. Jetzt
trat er wieder an den Wagen heran. Carter hatte sich nicht gerührt. Richards
sah, dass seine Nase lief, und seine Wangen waren nass von Tränen.
    »Anthony, mein Name ist Richards. Ich bin der
Sicherheitschef in dieser Einrichtung. Diese beiden Jungs werden Ihnen nichts
mehr tun, haben Sie gehört?«
    »Wir haben nichts getan«, sagte Paulson flehentlich. »Es war nur Spaß. Hey, Anthony,
verstehst du denn keinen Spaß?«
    Richards fuhr herum und starrte die beiden an.
»Diese kleine Stimme in eurem Kopf, die euch rät, die Klappe zu halten?«, sagte
er. »Auf diese Stimme solltet ihr wirklich hören.«
    »Ach, kommen Sie«, winselte Paulson. »Der Typ
ist irre oder so was. Das sieht doch jeder.«
    Richards spürte, wie ein letzter Rest von Geduld
aus ihm heraussickerte, wie die letzten Wassertropfen aus einem lecken Eimer.
Zum Teufel mit allem. Wortlos zog er seine Pistole aus dem Halfter in seinem
Kreuz - eine .45er Long-Slide Springfield, die er hauptsächlich benutzte, um
Eindruck zu machen: eine riesige, eine lächerliche Waffe. Aber trotz ihrer
Klobigkeit lag sie gut in der Hand, und im Dämmerlicht des Morgengrauens
strahlte der Titanrahmen die Bedrohlichkeit perfekter mechanischer Effizienz
aus. In einer einzigen Bewegung legte er mit dem Daumen den Sicherungshebel um,
lud die Waffe durch, packte Paulson bei der Gürtelschnalle und zog ihn zu sich
heran. Dann drückte er ihm die Mündung in das weiche, V-förmige Fleisch unter
dem Kinn.
    »Ist dir klar«, sagte er leise, »dass ich dich
hier und jetzt erschießen würde, um ein Lächeln auf das Gesicht dieses Mannes
zu zaubern?«
    Paulson war starr vor Angst. Er versuchte, den
Blick auf Davis oder die Sicherheitsleute zu richten, aber er schaute in die
falsche Richtung. »Fuck, was
soll denn das?«, würgte er mit verkrampften Halsmuskeln hervor. Er schluckte
angestrengt, und sein Adamsapfel sprang über die Pistolenmündung. »Alles okay
hier, alles okay.«
    »Anthony«, rief Richards, ohne Paulson aus den
Augen zu lassen, »Sie sind jetzt gefragt, mein Freund. Sagen Sie's mir. Ist
alles okay mit ihm?«
    Im Van blieb es lange still. Dann eine leise
Stimme. »Schon gut. Er ist okay.«
    »Sind Sie sicher? Denn wenn nicht, müssen Sie es
mir sagen. Sie haben hier das letzte Wort.« Wieder eine Pause. »Er ist okay.«
    »Haben Sie das gehört?« Richards ließ den Gürtel
des Soldaten los und steckte die Pistole ein. »Der Mann sagt, Sie sind okay.«
    Paulson sah aus, als wolle er zu seiner

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