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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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zählte
achtzehn Hotpoints in dieser Region und fand dann denjenigen, der zu Wolgasts
Tracking-ID gehörte.
    »In West-Oklahoma.«
    Sykes stand hinter ihm und schaute ihm über die
Schulter. »Glauben Sie, er weiß es schon?« Richards zoomte näher heran.
    »Ich würde sagen, ja.« Er zeigte Sykes die
ankommenden Daten. Zielgeschwindigkeit 102 km/h. Dann, einen Augenblick später:
Zielgeschwindigkeit 112 km/h.
    Sie waren jetzt auf der Flucht. Richards würde
sie holen müssen. Örtliche Polizeibehörden waren im Spiel, vielleicht auch die
State Police. Es würde unangenehm werden, immer vorausgesetzt, dass er es
überhaupt rechtzeitig schaffte. Der Hubschrauber aus Fort Carson war bereits unterwegs;
Sykes hatte ihn angefordert.
    Sie nahmen die Hintertreppe nach El im
Laufschritt und traten hinaus, um zu warten. Nach Sonnenuntergang war es
wärmer geworden. Dichter Nebel stieg in lockeren Spiralen unter den Lampen des
Parkplatzes in die Höhe wie der Trockeneisdampf bei einem Rockkonzert. Sie
standen schweigend nebeneinander; es gab nichts zu sagen. Die Situation war
mehr oder weniger komplett im Arsch. Richards dachte an das Foto, das jetzt in
allen Nachrichten gesendet wurde. Amy Bellafonte: S chöne
Quelle. Schwarzes Haar, das glatt auf ihre Schultern
fiel - es sah feucht aus, als sei sie durch den Regen gegangen -, und ein glattes,
kindliches Gesicht, die Wangen noch ein wenig gerundet vom Babyspeck, aber
unter den Brauen dunkle Augen von wissender Tiefe. Sie trug Jeans und eine bis
zum Hals geschlossene Sweatshirtjacke, und in der einen Hand hielt sie
irgendein Spielzeug, ein Plüschtier. Vielleicht war es ein Hund. Aber die Augen
- die Augen waren das, was Richards immer wieder in den Sinn kam. Sie schauten
direkt in die Kamera, als wollten sie sagen: Siehst du? Was dachtest du,
was ich bin, Richards? Dachtest du, niemand auf der Welt liebt mich?
    Eine Sekunde lang, nur eine Sekunde lang, dachte
er es. Es streifte ihn wie ein Flügelschlag: der Wunsch, er wäre ein anderer
Mensch und der Ausdruck im Blick eines Kindes sagte ihm etwas.
    Fünf Minuten später hörten sie den Hubschrauber,
eine pulsierende Erscheinung, die tief über der Baumreihe im Südosten
hereinschwebte. Er flog eine einzelne, suchende Kehre und zog einen Kegel aus
blendendem Licht hinter sich her, und dann senkte er sich mit balletthafter
Präzision auf den Parkplatz herunter, und die Rotorblätter drückten eine Welle
von bebender Luft unter sich her. Ein UH-60 Blackhawk mit voller Bewaffnung,
ausgerüstet für nächtliche Aufklärungsflüge. Das schien eine Menge zu sein -
für ein einziges kleines Mädchen. Aber in dieser Situation blieb ihnen nichts
anderes übrig. Sie hielten die Hände vor das Gesicht, um sich vor Wind und Lärm
und wirbelndem Schnee zu schützen.
    Als der Hubschrauber landete, griff Sykes nach
Richards Ellenbogen. »Sie ist ein Kind!«, schrie er über das Getöse hinweg.
»Machen Sie es richtig!«
    Was immer das heißen mochte, dachte Richards und
ging zielstrebig davon, auf die offene Luke zu.
    10
     
    Sie drückten jetzt aufs Gas: Wolgast saß am
Steuer, und Doyle neben ihm hämmerte mit dem Daumen wie wild auf die Tasten
seines Black-Berry. Erstattete Bericht, um Sykes wissen zu lassen, wer jetzt
das Kommando hatte.
    »Scheiße, kein Netz!« Doyle warf den BlackBerry
auf die Ablage. Sie waren fünfzehn Meilen hinter Homer und fuhren in Richtung
Westen. Die offenen Felder ringsumher zogen endlos an ihnen vorbei, und der
Himmel war übersät von Sternen.
    »Das hätte ich Ihnen sagen können«, antwortete
Wolgast. »Hier draußen sind wir hinter dem Mond. Und achten Sie auf Ihre
Ausdrucksweise.«
    Doyle ignorierte ihn. Wolgast warf einen kurzen
Blick in den Rückspiegel und sah, dass Amy ihn anschaute. Er wusste, dass sie
es auch spürte: Sie waren jetzt miteinander verbunden. In dem Augenblick, als
sie vom Karussell gestiegen waren, hatte er sich auf Gedeih und Verderb mit ihr
zusammengetan.
    »Wie viel wissen Sie?«, fragte er. »Ich glaube,
jetzt macht es nichts mehr, wenn Sie es mir sagen.«
    »Genauso viel wie Sie.« Doyle zuckte die
Achseln. »Vielleicht mehr. Richards meinte, Sie könnten Probleme damit haben.«
    Wann hatten die beiden miteinander gesprochen?
Während er und Amy auf der Kirmes unterwegs gewesen waren? In der Nacht in
Huntsville, als Wolgast ins Motel zurückgegangen war, um Lila anzurufen? Oder
schon vorher?
    »Sie sollten vorsichtig mit ihm sein. Ich mein's
ernst, Phil. So ein Typ. Der Kerl

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