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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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nicht
zu leugnen: Das alles war nur Laceys Schuld. Arnette hätte diesen Männern das
Kind niemals ausgehändigt, wenn Lacey sie nicht alle vorher belogen hätte. Und
doch war es jetzt Lacey, die tief und fest schlief, während sie, Arnette,
hellwach im Bett lag. Und die anderen Schwestern - sahen die es nicht auch?
Aber wahrscheinlich schliefen sie allesamt. Nur sie, Arnette, war dazu
verdammt, die ganze Nacht lang durch die Korridore ihres Kopfes zu streifen.
    Denn besorgt war sie. Zutiefst besorgt. Irgendetwas
passte nicht, ganz gleich, was Schwester Claire sagen mochte. Das
ist er nicht. Er liebt sie. Dieses seltsame,
wissende Lächeln auf Laceys Lippen. Dupree hatte Lacey eingehend vernommen und
sie gefragt, wie das zu verstehen sei, doch sie hatte nur gelächelt und diese
Worte wiederholt, als wäre damit alles erklärt. Dabei widersprach es den
Tatsachen diametral. Es war Wolgast,
darin waren sich alle einig. Wolgast und der andere Mann - der, der das Mädchen
weggeschleppt hatte. Jetzt erinnerte Arnette sich wieder an seinen Namen:
Doyle, Phil Doyle. Wohin sie das Mädchen gebracht hatten, und warum - tja,
darüber hatte Arnette von niemandem etwas erfahren. Auch Dupree war offenbar
ratlos gewesen. Er stellte immer wieder die gleichen Fragen, klickte mit seinem
Kugelschreiber, runzelte ungläubig die Stirn und schüttelte den Kopf, er
telefonierte und trank eine Tasse Kaffee nach der andern.
    Und unwillkürlich spürte sie dann doch, wie ihre
Gedanken sich lockerten und die Bilder des Tages in ihrem Kopf abrollten wie
ein Faden von der Spule und sie in den Schlaf hinunterzogen. Erzählen
Sie uns noch einmal, was auf dem Parkplatz geschehen ist, Schwester. Arnette
in dem kleinen Raum mit dem Spiegel, der kein Spiegel war, das wusste sie. Erzählen
Sie uns von den Männern. Erzählen Sie uns von Lacey. Arnette
saß der Glasscheibe gegenüber; hinter Duprees Schulter sah sie das Spiegelbild
ihres Gesichts. Es war ein altes Gesicht, zerfurcht von Zeit und Müdigkeit,
umrahmt vom grauen Stoff ihrer Haube, sodass es irgendwie körperlos im Raum zu
schweben schien. Dahinter, auf der anderen Seite der Scheibe, über ihr und um
sie herum, erkannte sie die Umrisse einer dunklen Gestalt, die sie beobachtete.
Wer stand da hinter ihrem Gesicht? Jetzt hörte sie auch Laceys Stimme, Lacey
auf dem Parkplatz, die verrückte Lacey, die abseits von ihnen allen zu leben
schien. Sie saß auf dem Boden und umklammerte panisch das Kind, und Arnette
stand vor ihr, und Lacey und das Kind weinten. Nehmt
sie nicht weg. Ihr Geist folgte dem Klang von Laceys
Stimme hinunter an einen dunklen Ort.
    Nehmt mich nicht mit, nehmt mich nicht mit,
nehmt mich nicht mit...
    Angst schoss durch ihre Brust, und viel zu
schnell richtete sie sich kerzengerade auf. Die Luft im Zimmer war leichter,
als sei der ganze Sauerstoff hinausgeströmt. Ihr Herz hämmerte bis in den Hals
hinein. War sie eingeschlafen? Träumte sie? Was war los?
    Und dann wusste sie es. Ohne jeden Zweifel. Sie
waren in Gefahr, in schrecklicher Gefahr. Etwas kam. Sie wusste nicht, was.
Irgendeine dunkle Macht war auf der Welt entfesselt worden und brandete auf sie
zu, auf sie alle.
    Lacey wusste es. Lacey, die viele Stunden lang
auf dem Feld gelegen hatte, wusste, was das Böse war.
    Arnette stürzte aus dem Zimmer hinaus in den
Korridor. Mit achtundsechzig Jahren von solchem Grauen verzehrt zu werden!
Sein Leben Gott zu weihen, Seiner Liebe und Seinem Frieden, und dann einen solchen
Augenblick zu erleben! Ganz allein damit im Dunkeln zu liegen! Ein Dutzend
Schritte bis zu Laceys Zimmer: Arnette rüttelte am Türknauf, doch die Tür gab
nicht nach, sie war von innen verschlossen. Sie hämmerte mit den Fäusten
dagegen.
    »Schwester Lacey, mach augenblicklich die Tür
auf!« Es blieb still auf der anderen Seite. Arnette packte den Türknauf und
rüttelte daran, wie ein Hund einen Lumpenfetzen schüttelt. Sie klopfte und
hämmerte. »Tu, was ich sage! Sofort!«
    Lichter gingen an, sie hörte Türen und Stimmen,
um sie herum war Aufruhr. Die anderen Schwestern waren in den Korridor
herausgekommen; erschrocken rissen sie die Augen auf und redeten
durcheinander.
    »Was ist los?«
    »Ich weiß nicht, ich weiß nicht ...«
    »Ist alles in Ordnung mit Lacey?«
    »Wir müssen die Polizei rufen!«
    »Lacey!«, schrie Arnette. »Mach die Tür auf!«
    Eine ungeheure Kraft packte sie und riss sie
zurück. Schwester Claire - es war Schwester Claire, die Arnette von hinten bei
den Armen genommen

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