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Crossfire 1: Kontakt

Crossfire 1: Kontakt

Titel: Crossfire 1: Kontakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Eindruck, dass sie ihn
gar nicht kannte, dass er sie sehr viel besser durchschaute als sie
ihn.
    Aber vielleicht war sie auch einfach nur leichter zu
durchschauen.
    Im Alter von acht Jahren hatte ihre Tante Tamara, die noch im
Kälteschlaf auf der Ariel lag, Gail zu einer
religiösen Versammlung in einem großen, strahlend
erleuchteten Sportstadion in Portland, Oregon mitgenommen. Dort
hatten Prediger über die Bestrafung nach dem Tod gewettert, die
auf Ehebrecher, Genetiker, Diebe und auf alle anderen
Ungläubigen hereinbrechen würde. Sie alle würden der
Verdammnis anheim fallen, in Flüssen aus Feuer für immer
brennen, und furchtbare Katastrophen würden die Erde heimsuchen.
Am nächsten Tag hatte ein Erdbeben in Portland siebentausend
Menschen getötet.
    Das bewirkte bei Gail genau das Gegenteil von dem, was die
Prediger beabsichtigt hatten. Sie verfolgte die Nachrichten, und
selbst als Achtjährige erkannte sie, dass sowohl die Gerechten
als auch die Sünder, die Gläubigen als auch die
Ungläubigen gleichermaßen den Tod gefunden hatten. Sie war
entsetzt über die gleichgültige, ungeheure Macht der Natur,
derselben Macht, vor der sie auch während eines Gewitters
erschauderte.
    Gails Mutter war Entwicklungsbiologin. Als sie erfuhr, dass Gail
von Tante Tamara zu der Erweckungspredigt mitgenommen worden war, war
sie außer sich. Emily Cutler war eine Frau mit festen, aber
eigenartigen Überzeugungen. Sie glaubte, dass Männer und
Frauen niemals einträchtig zusammenleben konnten.
    »Es gibt nur eine vernünftige Schlussfolgerung«,
erklärte sie geduldig, »für jeden, der überhaupt
der Vernunft zugänglich ist. Männliche und weibliche
Menschen haben sich entwickelt, um unterschiedlichen Anforderungen
gerecht zu werden: als Jäger und Konkurrent und als Sammlerin
und Bewahrerin. Achttausend Jahre so genannte Zivilisation
können fünf Millionen Jahre Evolution nicht ungeschehen
machen. Männer und Frauen sind keine unterschiedlichen Spezies,
aber sie sind sehr unterschiedliche Varianten einer Spezies. Von
ihnen zu erwarten, dass sie Gefallen am Zusammenleben finden, ist
genauso, als würde man von Wölfen und Pudeln verlangen,
denselben Bau zu teilen. Sie sollten getrennt leben und einander nur
hin und wieder besuchen.«
    Zehn Jahre später verkündete Gail ihrer Familie, dass
sie lesbisch war. Tante Tamara gab ihrer Schwester Emily und deren
Erziehung die Schuld. Jeder andere nickte nur und lächelte und
fragte, weshalb Gail sowohl in Chemie als auch in Physik so schlechte
Noten hatte.
    Die Wahrheit war: Wissenschaft langweilte sie. Aber Geld
langweilte sie nicht, und mit neunzehn hatte sie einen Abschluss in
Wirtschaftswissenschaften. Mit fünfundzwanzig verwaltete sie
mehr vom Anlagevermögen der Familie als irgendwer sonst in ihrer
weit verzweigten, von Umweltfragen besessenen Sippe.
Schließlich begegnete sie Lahiri, und das Leben war
ausgefüllt und vollkommen, süß und schwer wie von
einem Zuckerguss aus Glück.
    Doch dann starb Lahiri, langsam und schrecklich, an einem
genmanipulierten Virus. Er war von Terroristen freigesetzt worden,
die damit ganz Minneapolis zur Geisel ihrer durchgedrehten
politischen Forderungen machen wollten. Lahiri hätte nicht
einmal in Minneapolis sein sollen: Es war eine überraschende
Geschäftsreise gewesen.
    Inzwischen war die ultraviolette Strahlung und der CO2-Gehalt der
Erdatmosphäre innerhalb von zwanzig Jahren so sehr angestiegen,
wie es nach den Voraussagen der Wissenschaftler frühestens in
einem Jahrhundert hätte der Fall sein sollen. Die Reichen wurden
reicher und die Armen ärmer. In der Förderation
Nordatlantischer Staaten wuchsen Gewalt und Terrorismus im eigenen
Land; internationaler Terrorismus war vorher schon zum Alltag
geworden. Die genetische Aufwertung von Saatgut verlor
allmählich das Rennen gegen resistente Krankheiten und
steigendes Bevölkerungswachstum.
    Gails Familie entschied sich für die Auswanderung. Gail hatte
sich Jake angeschlossen, und von Anfang an schien dieser begriffen zu
haben, dass es nach Lahiri für Gail niemanden mehr geben
würde. Kein anderer verstand das. Jake und Gail waren Kollegen
geworden. Und Freunde, auch wenn sie regelmäßig stritten.
Aber stets hatte sie das Gefühl, dass er sein wahres Ich
verborgen hielt.
    »Da ist Faisal, elegant wie üblich«, stellte Jake
fest, als sie sich dem hässlichen, aufblasbaren Gebilde
näherten, das ihnen vorübergehend als Versammlungsort
diente. »Die königliche Familie scheint

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