Crossfire 1: Kontakt
sich ja gut
einzuleben.«
»Der männliche Teil zumindest«, merkte Gail
säuerlich an. »Bei den Frauen wissen wir’s ja nicht,
die verlassen kaum jemals den Familiensitz – oder wie auch immer
man das nennen möchte –, und wenn, sind sie
verschleiert.«
»Darüber haben wir doch schon auf der Erde
gesprochen«, sagte Jake sanft. »Sie alle haben uns
versichert, dass sie auf diese Weise leben möchten. Sogar unter
dem Lügendetektor.«
Es war nicht leicht gewesen, die Araber dazu zu bewegen, einer
Stimmanalyse bei ihren Frauen zuzustimmen. Gail hatte den Verdacht,
dass Faisal – weltgewandt und pragmatisch, wie er war –
Druckmittel verwendet hatte, von denen Gail lieber nichts wissen
wollte. Aber Jake hatte Recht: Die arabischen Frauen, Mitglieder der
Königsfamilie und Diener gleichermaßen, hatten selbst
unter dem Lügendetektor bestätigt, dass sie genau so leben
wollten: hinter Mauern, zwar in Mira City, aber nicht wirklich
dazugehörend.
Daher war nun der nördliche Teil der Stadt östlich des
Flusses von einer drei Meter hohen Mauer aus Formschaum umgeben.
Innerhalb dieser Medina gab es weitere Mauern, die den Lebensbereich
der Frauen abschirmten, das Andarun. Gail stellte sich
Innenhöfe vor, wie sie sie von alten persischen Holzschnitten
kannte, mit Springbrunnen, Blumenbeeten und verschleierten
dunkeläugigen Frauen, kindlich und behütet. Aber sie wusste
es nicht wirklich. Sie hatte das Innere der Medina nie mit eigenen
Augen gesehen, und außerhalb der Mauern erzählte Faisal
wenig von seinem privaten Königreich. Seine Stellvertreter
– natürlich alles Männer, und viele davon anscheinend
seine Söhne – hielten es ebenso. Abgesehen von
förmlichen Anlässen trug Faisal den gleichen braunen
Threadmore-Overall wie Jake und wie auch Gail selbst.
Sie wusste, dass er drei Frauen hatte – Jabbareh, Homy und
Khanom –, aber er erwähnte sie nie. Alles, was man in Mira
City vom Leben in der Medina zu sehen bekam, war das, Minarett, das
sich hoch über den Mauern erhob und von dem aus der Muezzin die
Gläubigen zum Gebet rief. Hinzu kamen noch die gelegentlichen
Unterbrechungen, wenn Faisal während einer Versammlung
niederkniete, ohne Gebetsteppich oder Entschuldigung, und Sol
zugewandt betete.
»Wir möchten die wahren Lehren des Islam
wiederbeleben«, hatte er Gail und Jake erklärt, als er
ihnen das erste Mal offenbart hatte, dass er und seine Leute sich den
Siedlern auf Greentrees anschließen wollten, »die
warmherzigen, fröhlichen Wurzeln des Islams, die verankert sind
in der Familie. Nicht die fanatische Kriegstreiberei, zu der er
geworden ist.«
»Aber eure Frauen…«, hatte Gail angesetzt.
Faisal war ihr ins Wort gefallen. »Unsere Frauen werden euch
versichern, dass auch sie nach den alten Grundsätzen leben
möchten.«
Und das taten sie, selbst unter der Stimmanalyse, auf der Gail
bestanden hatte. Ihr gefiel es nicht, dass auf einem neuen Planeten
ein Patriarchat fortbestehen sollte, aber Jake hatte bissig darauf
hingewiesen, dass ihr das auch nicht gefallen musste. Solange
die Araber ihrerseits Toleranz übten, mussten deren Götter
nicht die ihren sein.
»Ich dachte, sie hätten nur einen«, hatte Gail
darauf mit zusammengebissenen Zähnen erwidert.
Jake hatte die Sache mit einem Achselzucken abgetan.
»Meinetwegen.«
Und waren die Araber wirklich merkwürdiger als Larry Smith
und seine Cheyenne, die die toten Götter der Natur wieder
auferstehen lassen wollten?
»Hallo«, begrüßte Faisal die beiden und hielt
am Zugang zum Zelt inne. Heute hatte er aus irgendwelchen
Gründen nicht den Overall angelegt. Seine weißen
Gewänder wirkten vor den kühlen Blau- und Violetttönen
Greentrees tatsächlich überaus kleidsam und bequem.
»Hallo, Faisal«, erwiderte Gail. Nannte ihn sein Gefolge
›Eure Hoheit‹? Nur die Chinesen und Gails eigene Familie,
so kam es ihr vor, hielten den Blick in die Zukunft gerichtet und
nicht in die Vergangenheit.
Jake fragte: »Können wir heute vielleicht einen von
ihnen dazu bringen, ein verständliches Englisch zu
sprechen?«
Faisal lachte. Der Verwaltungsrat traf sich zweimal im Monat. Ein
»Monat« war definiert worden als ein voller Umlauf des
größten der drei Monde, Gamma. (Es zeugte nicht von sehr
viel Fantasie, dass man die Monde Alpha, Beta und Gamma getauft
hatte. Doch es würde sicherlich noch genug Gelegenheit geben,
Fantasie zu beweisen.)
In jedem Monat diente ein Treffen dazu, die Fortschritte beim Bau
von Mira City zu
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