Crossfire 1: Kontakt
waren, konnte man von jedem
Terminal auf Greentrees aus auf die Bibliothek zugreifen, Daten
kopieren oder hinzufügen. Egal, was auf der Oberfläche des
Planeten geschah, nichts davon konnte der Bibliothek dort oben
physischen Schaden zufügen.
»QVV-Übertragungen von anderen extrasolaren Kolonien.
Neuere Einträge«, befahl Jake.
»Zugriff erfolgt«, antwortete das Terminal.
»Sprachausgabe, Bildschirm oder Ausdruck?«
»Bildschirm. Übersetzung in Standardenglisch.«
QVV-Übertragungen waren in der Regel kurz, denn sie
erforderten eine beträchtliche Energiemenge. Eines Tages
würde die Ariel die Übermittlung einstellen. Von den
Schiffen in der Umlaufbahn um andere besiedelte Welten war eines, die Phönix, bereits verstummt. Was auch immer mit der
QV-Verbindung geschehen war, weder auf der Erde noch auf den drei
anderen Welten würde man es jemals erfahren. Eine Kolonie hatte
vielleicht die Energie, um eine QVV aufrechtzuerhalten, aber kaum die
notwendige hoch entwickelte Industrie, um eine neue zu bauen.
Auf dem Schirm erschienen die QVV-Berichte des UAF-Schiffes, der Winston Churchill, und des chinesischen Schiffes, der Glückliches Schicksal. Jake las sie. Die absonderlichen
Übersetzungen, die der Computer aus dem Chinesischen lieferte,
hielten ihn ein wenig auf – ein kulturelles Problem, das
während der vergangenen hundertfünfzig Jahre nie
befriedigend gelöst worden war: Bevölkerung nun 16.000
Seelen in erfolgreicher Stimmung… der Himmel macht Probleme der
Wasserversorgung nicht fortdauernd …
Er suchte nach etwas, was es nicht gab. Weder auf Avalon noch auf Neue Hoffnung hatte man vernunftbegabtes Leben
gefunden. Und keine der beiden Nachrichten beinhaltete irgendwelche
Hinweise auf das, was zurzeit auf der Erde los war.
Ingrid hatte ihre sicherlich historisch wertvolle QVV-Botschaft
über die Pelzlinge von Greentrees abgesetzt. Die Nachricht
beinhaltete eine komprimierte schematische Datensammlung und war vor
zwei Tagen abgeschickt worden, nachdem der Verwaltungsrat sie in
einer Sondersitzung gebilligt hatte.
QVV flößte Jake immer noch Ehrfurcht ein. Eine
Kommunikation ohne Zeitverzögerung, dank der
Quantenverschränkung, die er nicht im Geringsten verstand,
über Lichtjahre hinweg – um von wem empfangen zu werden?
Wie sah es inzwischen auf der Erde aus, siebzig Jahre, nachdem die Ariel von dort gestartet war?
Die Botschaft war, wie alle QVV-Nachrichten der Ariel, an
den Weltnationenrat mit Sitz in Genf gerichtet gewesen, eine
Körperschaft mit nützlichem Symbolwert, aber ohne
tatsächliche Macht. Die Antwort war eine Stunde später
eingetroffen:
WNR AUFGELÖST. GENF BELAGERT. KEINE HILFE BEI AUSSERIRDISCHER
INVASION MÖGLICH. VERFAHREN SIE NACH EIGENEM ERMESSEN.
»Was, zur Hölle…?«, war Thekla dazu entfahren.
»›Außerirdische Invasion‹?«
»Gehen Sie gar nicht darauf ein, dass wir die ersten
Außerirdischen im Universum entdeckt haben?«, war
George aufgebraust.
Liu Fengmos ruhiger Tonfall hatte sich irgendwie Geltung in dem
empörten Stimmengewirr verschafft: »Das war irgendein
Soldat, der sich über QVV gemeldet hat. Seine Aufmerksamkeit
reicht nicht über die eigene verzweifelte Lage in Genf
hinaus.«
Verzweifelte Lage. Jake mustert Liu Fengmo eingehend. Der
kleine Chinese, der stets gepflegt und beherrscht wirkte,
äußerte selten etwas anderes als konkrete Anliegen. Jake
hatte nie zuvor erlebt, dass Liu Vermutungen aussprach – obwohl
Liu sich auch jetzt nicht so angehört hatte, als hätte er
eine Vermutung geäußert. Mit einem Mal erinnerte sich Jake
daran, dass Liu während Generals Chus katastrophalen Krieges
gegen Indien Soldat gewesen war. »Seine Aufmerksamkeit reicht
nicht über die eigene verzweifelte Lage in Genf
hinaus.«
Jake lief es eiskalt über den Rücken.
Todd Johnson sprach die Frage aus, die sie alle bedrückte:
»Was geht da auf der Erde vor?«
Niemand wusste es. Seither hatten sie keine weitere QVV-Botschaft
erhalten.
Eine zaghafte Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. »Jake?
Bist du beschäftigt?«
»Nein, komm rein«, sagte Jake, ohne nachzudenken. Er
löschte den Schirm.
Frank Byfield stand im Eingang zum Mira-Corporation-Zelt. Er war
der Leiter von Abteilung sechs, einer der politischen und
juristischen Arbeitsgruppen. »Wie lautet die Entscheidung wegen
der Versorgungsfrage?«
Jake hatte vollkommen vergessen, diese Angelegenheit im
Verwaltungsrat zur Sprache zu bringen.
»Sorry, Frank, sie wägen noch immer die
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