Crossfire 2: Feuerprobe
sie sich in wissenschaftlicher Nomenklatur. Deshalb haben
wir heutzutage diesen Mischmasch, und es wird immer noch
schlimmer.«
»Sie gehören zur ersten Generation der eingeborenen
Greenies?«
»Ich war das zweiunddreißigste Kind, das hier geboren
wurde. Steigen Sie in den Wagen.«
Die vier Dienstfahrzeuge von Mira City standen unter einer
Zeltplane, die so alt war, dass selbst dieses haltbare Material
Abnutzung zeigte. Jeder Geländewagen bestand aus einer
unverkleideten Karosserie, einem robusten geländegängigen
Antrieb, offenen Seiten und einem Dach, das selbst ein Zelt war und
bis zum Boden verlängert werden konnte.
Man hatte mehr auf die Haltbarkeit als auf Bequemlichkeit
geachtet. Julian Martin zwängte sich auf den zu kleinen
Vordersitz. Selbst derart eingeklemmt und mit Knien, die nach oben
hervorragten, vermittelte er immer noch eine Aura würdevoller
Distanziertheit, die Alex ärgerte und verwirrte.
»Es ist eine gute Konstruktion«, stellte er fest,
»wenn auch nicht wirklich ästhetisch. Duncan würde es
nicht gefallen. Ich nehme an, alles an dem Geländewagen ist
wiederverwertbar?«
»Alles auf Greentrees ist wiederverwertbar. Und wir verwenden
es auch wieder. Immerhin ist die Natur ein hundert Prozent
effizienter Recyclingmechanismus. Wir versuchen das ebenfalls zu
erreichen.«
»Und die MateR steuert diesen Mechanismus«, bemerkte er
lächelnd. »Was passiert, wenn Sie abgenutzt
sind?«
»Ich werde ersetzt.«
»Das stelle ich mir schwierig vor. Hochwertige
Präzisionsgeräte sind stets selten.«
Sie spürte erneut, wie sie rot wurde, diesmal aus Freude.
Julian Martin lachte leise. »Habe ich erneut ein kulturelles
Tabu verletzt? Gelten Komplimente hier als
anstößig?«
»Nicht, wenn sie ernst gemeint sind«, erwiderte Alex und
schaute ihn nicht an.
»Ich kann Menschen gut einschätzen«, behauptete er.
»Aber ich erwarte nicht, dass Sie mir das einfach so glauben.
Ich werde es Ihnen heute beweisen. Warten Sie nur ab.«
Sie sagte nichts, weil sie nicht wusste, was für eine Antwort
angemessen wäre. Sie fuhren durch Mira, und Alex machte ihn auf
all die kleinen Geschäfte und Handwerksbetriebe aufmerksam, die
noch nicht geöffnet hatten: Bäckereien,
Kleidergeschäfte, Formschaumkonstrukteure. Als sie den Fluss
erreichten, wies sie auf die Fabriken, in denen von Seifen bis hin zu
Bergbauausrüstungen alles Notwendige produziert wurden. Sie
erklärte, welche sich in Privatbesitz befanden und welche von
der Mira Corporation betrieben wurden.
»Und diese Gebäude dort drüben sind die genetischen
Laboratorien. Wir hatten gerade einen großen Durchbruch und
konnten Gene zur Generierung eines Grippeimpfstoffs in Speiseknollen
einfügen.«
»Grippe? Tatsächlich?«
»Nun, so nennen wir es. Ich weiß nicht, wie es auf der
Erde heißt. Eine leichte Atemwegsinfektion, die sich vor allem
bei Kindern rasch verbreitet.«
»Wir nennen es Grippe«, bestätigte er. »Obwohl
es auf der Erde viele – viel zu viele – Abarten davon gibt,
die alles andere als leicht sind. Genau genommen sind sie
tödlich.«
»Ich denke, so etwas haben die ersten Siedler hier erlebt.
Möglicherweise. Ich bin mir da nicht sicher.«
»Sie nehmen die meisten Impfstoffe mit dem Essen zu
sich?«
»Ja«, antwortete sie überrascht. »Sie
nicht?«
»Nein«, sagte er ohne weitere Erklärungen. Sie
fuhren über die weite Ebene, während die Sonne am
wolkenlosen Himmel über den violetten Bodenbewuchs und die
hohen, schlanken Bäume emporwanderte. Vögel kreisten,
krächzende Rufe ausstoßend, über ihnen. Eine Herde
Frinchen lief in der Ferne dahin. Die Luft fühlte sich auf
Alex’ Wangen kalt und frisch an.
Sie war so selten außerhalb der Stadt. Die Ebene kam ihr
fremd vor, wild – etwas, das besser zu den Cheyenne passte als
zur Zivilisation. Sie fuhren an einem großen Dickicht aus Rotem
Kriecher vorbei, jener flinken Ranke, die einen Menschen umschlingen
konnte und ihn lähmte, während sie ihn allmählich
verdaute. Die Genetiker hatten auch mit den Genen des Roten Kriechers
Experimente durchgeführt, bis jetzt aber nichts Nützliches
damit anzufangen gewusst.
»Schauen Sie sich die Löwen an!«, sagte Alex und
wies auf ein paar kaum sichtbare Tiere in den Zweigen eines fernen
Wäldchens. Julian Martin musste etwas aus ihrer Stimme
herausgehört haben, eine Spur jener erschreckenden Erinnerung an
das Labor und Yat-Shing Wong. Er wandte den Kopf und schaute Alex
scharf an, aber er sagte nur:
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