Crossfire 2: Feuerprobe
Sie irgendwo hingehen würden, und ich dachte mir, wenn ich Sie begleiten
darf, dann wäre das eine gute Möglichkeit, die Stadt besser
kennen zu lernen. Sie verwalten die Mittel, und die Verteilung der
Mittel zeigt stets deutlich, wo die Prioritäten einer
Gesellschaft liegen.«
Sie lächelte, um ihre Missstimmung zu verbergen. Er hatte
natürlich völlig Recht, aber… aber was?
Was, wenn er befand, dass sie bei der Zuweisung der Mittel
schlechte Arbeit leistete?
Sie schämte sich für diese Befürchtung – es
war wirklich nicht der richtige Zeitpunkt für kleinliche
Eitelkeiten! Ein wenig übereifrig nickte sie: »Ja, ich
verstehe. Natürlich können Sie mitkommen. Ich fürchte
allerdings, es wird ein hektischer Tag. Woher wussten Sie, dass ich
so früh aufbreche? Oh, natürlich, Sie wussten es gar nicht.
Sie schlafen nicht so viel und sind vermutlich ohnehin die ganze
Nacht umherspaziert und haben sich alles angeschaut…« Sie
redete zu viel. Halt die Klappe, Alex!
»Ja, ich bin die ganze Nacht spazieren gegangen. Es ist noch
immer ungewohnt für mich, dass man das kann, dass Mira City so
sicher ist. Wohin gehen wir zuerst?«
»Wir holen einen Geländewagen.«
Er ging neben ihr her. Heute trug er einen Overall aus Threadmore.
Er hatte nicht lange gebraucht, um sich den örtlichen
Gepflogenheiten anzupassen. Allerdings bestand nicht die Gefahr, dass
irgendwer ihn mit einem Einheimischen verwechselte, dafür
sorgten schon seine Größe und die verblüffend
grünen Augen. Verstohlen fuhr sich Alex mit den Fingern durchs
Haar und grübelte darüber nach, ob sie sich gekämmt
hatte.
»Die Fahrzeuge werden mit Wasserstoff angetrieben«,
erklärte sie und flüchtete sich in Erklärungen.
»Unsere Produktionsmöglichkeiten sind natürlich
beschränkt, und Brennstoffzellen haben neben der
Bergbauausstattung die höchste Priorität. Das einzige
Abfallprodukt ist klares Wasser. Sie können es sogar trinken.
Wir auf Greentrees haben zwei Ziele: Wir wollen, dass die Siedlung
gedeiht und dass die Ökologie von Greentrees nicht
geschädigt wird.«
»Sie sagen ›wir‹. Sind das auch Ihre Ziele,
Alex?«
»Natürlich«, antwortete sie überrascht.
»Welches dieser Ziele ist wichtiger?«
»Beide sind gleich wichtig.«
»Aber wenn Sie in eine Lage geraten, in der Sie wählen
müssen, welches würden Sie dann vorziehen?«
»In einer solchen Lage waren wir nie«, antwortete sie
reserviert. »Wenn irgendetwas Mira City nutzen könnte,
dabei aber Greentrees schädigen würde, dann würden wir
einen anderen Weg suchen, um dasselbe Ziel zu erreichen.«
»Ist das Ihre Aufgabe als ›MateR‹?«
Die leichte Betonung, die er diesem Wort verlieh, gefiel ihr
nicht. »Ja, das ist es.«
»Ich verstehe.« Er hielt an und sah sie direkt an. Seine
tiefe Stimme änderte sich, sie wurde ein wenig höher und
nahm einen bittenden Ausdruck an. »Ich verstehe. Denken Sie
dran, Alex, das alles ist neu für mich. Sie alle sind neu
für mich, ihr Greenies, und die Art, wie ihr denkt. Das alles
ist ganz anders als auf der Erde. Haben Sie bitte Geduld mit meinen
unbeholfenen Fragen.«
Die Demut in diesen strahlenden Augen, die geradenwegs in die
ihren blickten, war beunruhigend. Alex spürte, wie sie
errötete. »Ja… äh, natürlich. Ja.«
»Danke.« Er ging weiter, und sie musste fast laufen, um
mit ihm Schritt zu halten.
»War es auf der Erde so anders als hier?«, fragte sie,
nur um etwas zu sagen.
»Sie haben ja keine Ahnung! Wir hatten nur wenige Ressourcen,
und die verschiedensten Gruppen kämpften heftig und
ununterbrochen um alles, was es gab. Überleben war das einzige
Ziel.«
Sie erinnerte sich daran, was er am Abend zuvor über die
Kriege auf der Erde erzählt hatte: »Wenn neunzig Prozent
des eigenen Volkes ohnehin sterben, dann macht es einem nicht mehr so
viel aus, tödliche Substanzen freizusetzen, die ein Drittel der
eigenen Leute töten, aber ebenfalls ein Drittel des
Feindes…«
»Hier ist es so wunderschön«, stellte er voller
Wehmut fest. »Schauen Sie sich diese Blumenbeete an. Einheimisch
oder genetisch angepasst?«
»Das dort sind einheimische Pflanzen. Wir nennen sie
Rosen.«
»Sie haben nicht viel mit den irdischen Rosen
gemeinsam.«
Sie lachte. »Jake sagt, der Grund dafür war, dass sich
unter den ersten Siedlern keine Linguisten befanden. Die Namen wurden
einfach wahllos verteilt. Manchmal benutzten die Siedler irdische
Bezeichnungen, manchmal erfanden sie Fantasiebegriffe, und manchmal
versuchten
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