Crossfire. Offenbarung: Band 2 Roman (German Edition)
geschwungene Lehne, während der Sessel meiner Mutter auf Füßen aus Fratzengesichtern stand.
»Ich versuche noch immer herauszufinden, was mit ihm nicht stimmt«, fuhr Megumi fort. »Und ich hab nachgebohrt, da könnt ihr sicher sein. Ich meine, so ein Supertyp sollte es nicht nötig haben, sich mit Blind Dates abzugeben.«
»Von Abgeben kann hier aber nicht die Rede sein«, widersprach meine Mom. »Bestimmt fragt er sich gerade, wie er so viel Glück haben konnte, an Sie zu geraten.«
»Danke schön!« Megumi grinste mich an. »Er war echt scharf. Nicht scharf wie Gideon Cross, aber scharf war er trotzdem.«
»Ach, wie geht’s Gideon überhaupt?«
Mutters Nachfrage klang beiläufig, aber ich nahm sie nicht auf die leichte Schulter. Ihr war bekannt, dass Gideon über den Missbrauch, den ich als Kind erlitten hatte, inzwischen Bescheid wusste, und die Nachricht hatte sie hart getroffen. Sie schämte sich entsetzlich dafür, nichts von dem geahnt zu haben, was unter ihrem eigenen Dach vor sich ging, und ihre Schuldgefühle waren ebenso stark wie unbegründet. Sie hatte nichts geahnt, weil ich es verheimlicht hatte. Nathans Drohungen, was er tun würde, wenn ich jemals etwas erzählte, hatten mir wahnsinnige Angst eingejagt. Dennoch beunruhigte es meine Mutter, dass Gideon eingeweiht war. Hoffentlich würde sie bald erkennen, dass Gideon ihr daraus ebenso wenig einen Vorwurf machte, wie ich es tat.
»Er arbeitet viel«, erwiderte ich. »Du weißt ja, wie das ist. Seit wir zusammen sind, habe ich einen Großteil seiner Zeit beansprucht, und jetzt zahlt er den Preis dafür, schätze ich.«
»Du bist es wert.«
Ich trank einen großen Schluck Wasser und verspürte plötzlich das starke Bedürfnis, ihr von Dads bevorstehendem Besuch zu erzählen. Sie könnte mir helfen, ihn von Gideons Gefühlen für mich zu überzeugen. Aber dies war ein selbstsüchtiges Motiv, ihr davon zu erzählen. Wie sie auf Victors Anwesenheit in New York reagieren würde, wusste ich nicht, höchstwahrscheinlich würde es sie jedoch traurig stimmen, worunter dann letztlich alle zu leiden hätten. Aus irgendwelchen Gründen legte sie Wert darauf, jeglichen Kontakt mit ihm zu vermeiden. Seit ich alt genug war, mich direkt bei ihm zu melden, verhinderte sie es stets entschlossen, ihn zu treffen oder zu sprechen.
»Gestern habe ich eine Werbung mit Cary auf einem Bus gesehen«, sagte sie.
»Wirklich?« Ich setzte mich interessiert auf. »Wo?«
»Auf dem Broadway. Eine Jeanswerbung, wenn ich mich richtig erinnere.«
»Ich hab auch eine gesehen«, sagte Megumi. »Allerdings hab ich nicht darauf geachtet, was er trug. Der Typ ist einfach der Hammer .«
Ich musste lächeln, wenn ich die beiden reden hörte. Meine Mutter war eine wahre Meisterin darin, Männer zu bewundern. Das war einer der vielen Gründe, weshalb die Männer sie anbeteten: Sie schenkte ihnen Bestätigung und damit ein gutes Gefühl. Und Megumi konnte ihr diesbezüglich locker das Wasser reichen.
»Sein Bekanntheitsgrad ist enorm gestiegen«, sagte ich und war froh, dass wir über sein Werbeplakat sprachen und nicht über einen der reißerischen Enthüllungsberichte, die auch mich betrafen. Die Klatschbasen der Stadt fanden es nun mal wahnsinnig pikant, dass die Freundin von Gideon Cross mit einem scharfen männlichen Model zusammenwohnte.
»Selbstverständlich«, erklärte meine Mutter mit leicht zurechtweisendem Unterton. »Hast du etwa daran gezweifelt, dass das einmal so kommen würde?«
»Ich hatte es gehofft«, erwiderte ich. »Für ihn. Es ist nun mal eine traurige Tatsache, dass männliche Models weniger verdienen und weniger Angebote erhalten als weibliche.«
Ich hatte jedoch immer damit gerechnet, dass Cary es irgendwie schaffen würde. Etwas anderes hätte er auch seelisch nicht verkraftet. Er hatte gelernt, solch immensen Wert auf sein Aussehen zu legen, dass ein Scheitern für ihn undenkbar gewesen wäre. Nun hegte ich jedoch die tiefe Angst, dass seine Berufswahl sich irgendwann noch rächen könnte – mit Folgen, denen keiner von uns gewachsen sein würde.
Meine Mutter nippte an ihrem Pellegrino. Obwohl das Café auf Gerichte spezialisiert war, die mit Schokolade verfeinert wurden, hatte sie darauf geachtet, ihre täglich erlaubte Kalorienmenge nicht auf eine einzige Mahlzeit zu verschwenden. Ich war da weniger vorsichtig gewesen und hatte Suppe, Sandwichteller sowie Nachtisch bestellt, was mich nachher mindestens eine zusätzliche Stunde auf dem Laufband
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