Crush Gier
früherer Vergehen vor Gericht.«
»Nein, sondern weil er einen prominenten Banker, einen führenden Bürger unserer schönen Stadt, exekutiert hat. Der Staatsanwalt war auf die Todesstrafe aus.«
»Ich weiÃ, Lee. Ich war dabei.«
»Und los gehtâs«, bemerkte einer der anderen Gäste, die sich versammelt hatten, um einer Debatte zu lauschen, die mit Sicherheit spannend werden würde. »Der Erzkonservative und die liberale Emanze heizen sich mal wieder so richtig ein.«
»Wir Geschworenen haben erst vor der Bekanntgabe unserer Entscheidung erfahren, dass der Staatsanwalt die Todesstrafe gefordert hatte. Das hat unser Votum nicht beeinflusst.«
»Wie kommt es dann, dass ihr zwölf beschlossen habt, dieses Ekel laufen zu lassen, statt ihm die Nadel zu geben? Wie konntet ihr auch nur eine Sekunde lang an seine Unschuld glauben?«
»Keiner von uns hat geglaubt, dass er unschuldig ist. Wir haben ihn für nicht schuldig erklärt. Das ist etwas anderes.«
Er zuckte mit den knochigen Achseln. »Der Unterschied will mir nicht einleuchten.«
»Der Unterschied liegt in unseren berechtigten Zweifeln.«
»In dubio pro reo. Im Zweifel für den Angeklagten, meinst du diesen Schei�«
»Dieser Scheià bildet das Fundament unserer Rechtsprechung.«
»Jetzt kommt sie in Fahrt«, hörte sie jemanden im Hintergrund flüstern.
»Die so genannten Beweise gegen Mr. Lozada waren samt und sonders Indizienbeweise«, erklärte sie. »Es gab keinen einzigen echten Beweis dafür, dass er tatsächlich am Tatort war. Und er hatte ein Alibi.«
»Einen Typen, den er wahrscheinlich dafür bezahlt hat, für ihn zu lügen.«
»Es gab keine Augenzeugen. Es gab â«
»Sag mal, Rennie, waren alle Geschworenen so gewissenhaft bei ihrer Urteilsfindung?«
»Was meinst du damit?«
»Ich meine damit, dass du Miss Superkorrekt bist. Bestimmt hast du alle Fakten fein säuberlich aufgefädelt, und Gott bewahre dich davor, auf deinen Instinkt zu hören.«
»Natürlich habe ich das.«
»Wirklich? Dann sag mir eines: Wie viele Geschworene haben bei eurer ersten Abstimmung, noch vor der Beratung, für schuldig und wie viele für unschuldig gestimmt?«
»Ich werde nicht mit dir darüber sprechen, was im Beratungszimmer passiert ist.«
Er schaute kurz in die Runde, als wollte er sagen: »Ich habâs gewusst.«
»Lass mich raten, Rennie. Du â«
»Ich habe einmal über diesen Fall beraten, Lee. Und das reicht mir.«
»Du warst das Gewissen der ganzen Jury, stimmtâs? Du hast den Freispruch durchgeboxt.« Er drückte beide Hände auf sein Herz. »Unser aller Dr. Rennie Newton, die Jeanne dâArc unserer Berufsverbrecher.«
Der Streit war im Gelächter der Zuhörer untergegangen. Es war das letzte verbale Scharmützel, das sie und Lee je ausfechten würden. Wie immer waren sie als Freunde auseinander gegangen. Als sie sich von ihm und Myrna verabschiedete, hatte er sie in die Arme geschlossen. »Du weiÃt, dass ich dich nur aufziehen wollte, oder? Von allen Geschworenen, die je bei einer Verhandlung dabei waren, hast du dir bestimmt die gröÃte Mühe gegeben, alles richtig zu machen.«
Ja, sie hatte wahrlich versucht, alles richtig zu machen. Sie hatte nur nicht gewusst, wie stark ihr Privatleben durch diese verfluchte Berufung zur Geschworenen, durch die Verhandlung und das Urteil beeinträchtigt würde. Schlimmstenfalls hatte sie die Berufung für eine lästige Verpflichtung gehalten. Mit einer Katastrophe hatte sie nicht gerechnet.
Ob Detective Wesley sie wirklich verdächtigte?
Ihr Anwalt hatte ihre Bedenken beiseite gewischt. Seiner Ansicht nach hatte die Polizei noch keine einzige heiÃe Spur und deswegen ein weitmaschiges Netz ausgeworfen, weshalb jetzt jeder vernommen wurde, mit dem Lee Howell zu tun gehabt hatte, angefangen beim Krankenhauspersonal bis hin zu seinen Golfpartnern. Im Augenblick stand jeder unter Verdacht. Andeutungen und Einschüchterungen waren altbekannte Polizeimethoden, hatte ihr der Anwalt versichert. Auf keinen Fall sollte sie das Gefühl haben, dass sie besonders genau unter die Lupe genommen wurde.
Rennie hatte sich einzureden versucht, dass er Recht hatte und sie überreagierte. Allerdings wusste der Anwalt nicht, dass sie allen Grund hatte, ein wenig nervös zu werden,
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