Crush Gier
konnte, das Licht anlassen.
Im Schlafzimmer schaltete sie die Nachttischlampe ein und setzte sich auf ihr ungemachtes Bett. Normalerweise hätte es sie gestört, dass sie keine Zeit gefunden hatte, vor der Arbeit ihr Bett zu machen. Jetzt kam ihr der Gedanke trivial, sogar albern vor. Ein ungemachtes Bett war nichts, worüber man sich den Kopf zerbrechen musste.
Beklommen zog sie die Schublade des Nachttischs auf. Die Karte lag unter dem Briefpapierset, das sie vergangene Weihnachten von den Mädchen am Empfang geschenkt bekommen hatte. Sie hatte nicht mal das Zellophan aufgerissen. Jetzt schob sie die Schachtel beiseite und starrte auf die kleine weiÃe Karte.
Sie hatte gerade die Befunde auf den Karteikarten ihrer Patienten eingetragen, als die Dienst habende Schwester ihr mitteilte, dass sie einen Anruf habe. »Auf Leitung drei.«
»Danke.« Sie klemmte den Hörer zwischen Schulter und Wange, damit sie beide Hände frei hatte, um die Arbeit eines langen Tages abzuschlieÃen. »Dr. Newton.«
»Hallo, Rennie.«
Ihr Füller war mitten in ihrer Unterschrift zum Stehen gekommen. Die rauchige Stimme setzte sie augenblicklich unter Hochspannung: »Wer ist da?«
»Lozada.«
Sie sog scharf die Luft zwischen den Zähnen ein und versuchte dabei gleichzeitig, keinen Laut von sich zu geben. »Lozada?«
Er lachte leise, als wüsste er, dass sie sich absichtlich begriffsstutzig stellte. »Komm schon, Rennie, wir kennen uns. Du hast mich bestimmt nicht so schnell vergessen. SchlieÃlich haben wir fast zwei Wochen im gleichen Raum verbracht.«
Nein, sie hatte ihn nicht vergessen. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass irgendwer, der einmal mit diesem Mann zu tun hatte, ihn je wieder vergessen würde. Oft genug hatten seine dunklen Augen im Gerichtssaal ihre gesucht.
Nachdem ihr das aufgefallen war, hatte sie es vermieden, ihn anzusehen. Doch jedes Mal, wenn ihr Blick zufällig auf ihn gefallen war, hatte er sie auf eine Weise angestarrt, die ihr ausgesprochen unangenehm und peinlich war. Ihr war durchaus bewusst, dass auch die übrigen Geschworenen und die Besucher im Gerichtssaal sein unerwünschtes Interesse an ihr bemerkt hatten.
»Sie sollten mich nicht anrufen, Mr. Lozada.«
»Warum nicht? Die Verhandlung ist vorbei. Manchmal treffen sich nach einem Freispruch Angeklagte und Geschworene und feiern das Urteil.«
»Eine solche Feier wäre geschmacklos und instinktlos. Sie ist für die Familie des Opfers, dessen Tod ungesühnt bleibt, ein Schlag ins Gesicht. Auf jeden Fall haben Sie und ich nichts zu feiern und auch nichts zu besprechen. Guten Tag.«
»Haben dir die Rosen gefallen?«
Ihr Herz setzte mehrere Schläge aus und begann dann mit doppelter Geschwindigkeit wieder zu schlagen.
Natürlich war ihr, nachdem sie alle anderen Möglichkeiten ausgeschlossen hatte, die Idee gekommen, dass Lozada ihr heimlicher Verehrer sein könnte, doch diesen Gedanken hatte sie lieber gar nicht erst in Betracht ziehen wollen. Jetzt sah sie ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt und hätte am liebsten so getan, als hätte sie keine Ahnung, wovon er sprach.
Doch das würde er ihr nie im Leben abnehmen. Er hatte die Rosen selbst auf ihrem Tisch platziert und damit sichergestellt, dass sie die Blumen auf jeden Fall erhalten würde. Ihr lag die Frage auf der Zunge, wie zum Teufel er in ihr Haus gekommen war, doch Lozada war, wie Lee Howell ihr vorgehalten hatte, ein Gewohnheitsverbrecher. Für einen Mann mit seinem Anklagen-Register war ein gewöhnlicher Einbruch nur Kinderkram.
Er war unglaublich intelligent und findig, sonst hätte er nicht ungestraft so viele Verbrechen begehen können, eingeschlossen
den jüngsten Mord, für den er vor Gericht gestellt worden war und den er bestimmt auch begangen hatte, davon war sie überzeugt. Es hatte ihm nur nicht nachgewiesen werden können.
Er sagte: »So rot wie deine Haustür ist, dachte ich, dass dir rote Rosen bestimmt gefallen.«
Die Rosen hatten ganz und gar nicht die Farbe ihrer Haustür gehabt. Sondern die des Blutes auf den Fotos vom Tatort, die als Beweismittel vorgelegt und der Jury gezeigt worden waren. Das Opfer, auf das, wie die Anklage behauptet hatte, der Auftragskiller Lozada angesetzt worden war, war garrottiert worden â es war mit einem dünnen, aber stabilen Draht erwürgt worden, wobei die Haut über dem Kehlkopf
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