Crusie, Jennifer - Der Cinderella-Deal
sich entspannt in die Kissen sinken. »Ich fühle mich schon viel besser. Geschwüre habe ich nämlich bis jetzt noch nicht.«
»Und er war gottesfürchtig und mied das Böse«, las Linc weiter, und seine Mutter schloss die Augen. Als er sie kurz ansah, lag ein sanftes Lächeln auf ihren Lippen, und sie wirkte so, als würde sie Trost in Hiobs Geschichte finden. Gesegnet sei Daisy, dachte er und las weiter.
Nachdem Daisy später am Abend noch einmal nach Gertrude gesehen und ihr Aspirin gegen das Fieber gegeben hatte, ging sie in Lincs Schlafzimmer und legte sich neben ihn ins Bett. Er las noch immer in der Bibel.
»Hiob.« Er schüttelte den Kopf. »Darauf wäre ich nie gekommen, aber es hat ihr gefallen.« Lächelnd sah er sie an. »Sehr sogar.«
»Ich liebe diese Geschichte.«
Er sah zu, wie Daisy sich im Bett rekelte, um es sich gemütlich zu machen. Seine Matratze war härter als ihre, und sie brauchte eine Weile, bis sie die richtige Position gefunden hatte. Während sie Kopfkissen und Bettdecke aufschüttelte und sich ein paar Mal hin und her wälzte, gelang es ihm nicht, den Blick von ihr loszureißen. Erst als sie mit ihrer Liegeposition zufrieden war, redete sie weiter.
»Hiob ist toll, bis auf die Stellen mit den Streitereien. Der gute Teil ist der, wo Gott Hiob zur Schnecke macht, weil er so viel jammert. Hier.« Sie nahm ihm das Buch aus der Hand und blätterte ein paar Seiten vor. »Kapitel achtunddreißig. ›Wo warst du, als ich die Erde gründete? Sage mir’s, wenn du so klug bist! Weißt du, wer ihr das Maß gesetzt hat oder wer über sie die Richtschnur gezogen hat?‹ Ich liebe diese Stelle, da wird Gott so sarkastisch. ›Worauf sind ihre Pfeiler eingesenkt, oder wer hat ihren Eckstein gelegt, als mich die Morgensterne miteinander lobten und jauchzten alle Gottessöhne.‹«
Daisy ließ das Buch in den Schoß sinken und starrte einen Moment lang gedankenverloren vor sich hin. »Nur dass ich glaube, dass die Gottestöchter auch gejauchzt haben. Alle Leute haben zusammen vor Freude geschrien, und die Morgensterne haben gesungen.« Sie schloss das Buch und seufzte auf. »Unsere Kirche war von innen aus grauem Stein gebaut und wunderschön. Die Sonne fiel immer durch die bunten Glasfenster und wärmte die hölzernen Sitzbänke, und unser Pfarrer las dieses Zeug vor, und ich fühlte mich wahnsinnig sicher.« Sie drehte sich um und sah ihm in die Augen. »So sicher habe ich mich nie wieder gefühlt, bis ich bei dir eingezogen bin. Danke.«
Linc war sprachlos über ihre Offenheit und ihr Vertrauen und fühlte sich ein wenig benommen. Bleib bei mir! wollte er sagen. Sei meine Frau! Dann schien der Raum sich plötzlich zu drehen, und Linc merkte, dass er das Atmen vergessen hatte. Er holte tief Luft und nahm Daisy das Buch aus der Hand. »Ich passe eben gern auf dich auf. Welches Buch magst du am liebsten?«
»Den Prediger Salomo. Das Hohelied der Liebe. Esther. Ruth.« Sie kuschelte sich in ihr Kissen. »Unterschiedliche Geschichten für unterschiedliche Launen.« Sie gähnte. »Mach dir bitte keine Sorgen, wenn ich später mal kurz aufstehe. Ich sehe nur nach deiner Mutter.«
Sie schloss die Augen, und er sah auf ihr blasses, von einem Meer dunkler Locken umrahmtes Gesicht auf dem Kissen hinab. Sie war so süß und warm, und er liebte sie so sehr.
Der Gedanke ließ ihn erschrocken zusammenfahren. Ich liebe sie wie eine Schwester, sagte er sich. Nur mit dem Unterschied, dass ich sie auch begehre. Böse Gedanken für einen Mann, in dessen Schoß eine Bibel lag.
Er blätterte durch die Seiten, bis er zufällig mitten im Hohelied landete, und las: »Ein verschlossener Garten ist meine Schwester Braut.« Es gibt wirklich nichts, das nicht in der Bibel zu finden war, dachte er. Dann ging er zum Anfang zurück, und dort stand: »Mit Küssen seines Mundes bedecke er mich. Süßer als Wein ist deine Liebe.«
Das reicht, dachte er und legte das Buch auf den Nachttisch. Genug Bibel für heute. Dann schaltete er das Licht aus und schlief - in Gedanken bei Daisy, die nur wenige Zentimeter von ihm entfernt lag - ein.
Am nächsten Abend ging es seiner Mutter schlechter, und Linc las ihr nur ein kleines bisschen aus dem Buch Hiob vor, ehe er die Bibel zuklappte. Dann sagte er: »Du bist müde. Aber morgen lese ich dir weiter vor.«
»Du hast die gleiche Stimme wie dein Vater.« Gertrude drehte den Kopf auf dem Kissen, damit sie Linc im Schein der Lampe betrachten konnte. »Wenn du liest und ich
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