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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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trüge:
                „Nun an besagten Abend waren wir beide nicht mehr nüchtern. In Vino Veritas! Dominikus hat einen Moralischen bekommen – er war den Tränen nah! Mit erstickter Stimme hat er mir sein Herz ausgeschüttet, dass man ihn erpressen, ihn bedrohen würde!“
                Erregt rief Niederstrasser dazwischen:
                „Das hat er gesagt? Unglaublich!“
                Unbeirrt fuhr Simon fort:
                „Wie ein Mantra hat er es wiederholt: der Eremit und seine Ketzerclique sei an allem Schuld. Durch diesen Irren würden er und die Kirche noch in Teufels Küche kommen. Wie von Sinnen, wie besessen hat er vor sich hin gebrabbelt: Dort wo die Finsternis am schwärzesten ist, strahlt das Licht am hellsten!“
                Niederstrasser stützte sein Kinn auf die Faust. Er schien darüber nachzusinnen, ob er ihn wie einen räudigen Köter vor die Tür setzen oder ihn an Bord holen sollte. Sein verklärter Blick wanderte zu den Buchschränken und blieb an den hebräischen, griechischen und lateinischen Buchstaben auf den Rücken der theologischen und philosophischen Schwarten kleben:
                „Lucem demonstrat umbra! Jesus bringt Licht ins Dunkel! Lassen wir also das Versteckspiel und lassen Sie uns offen über den Fall reden! Ich habe mich in den letzten Tagen öfters die Frage gestellt, ob ich nicht eine gewisse Mitschuld an der unglückseligen Entwicklung der Ereignisse trage! Ich hegte bereits seit längerem den Verdacht, dass Bruder Dominikus unter enormen psychischen Druck stand, immer öfter in einen Zustand innerer Exaltiertheit geriet und unter Zwangsvorstellungen litt. Rückblickend muss ich konstatieren, dass ich als Seelenführer sträflich versagt habe. Weder ich noch der Bruder Beichtiger haben erkannt, welch seelische Abgründe sich in ihm auftaten, welch hochtoxisch Wirkung das Gift des Bösen entfaltet, in welch fortgeschrittenem Stadium des Verfalls sich sein Geist befand. Bei der Durchsicht seines Nachlasses bin ich auf sein Diarium gestoßen – und war entsetzt! Die Aufzeichnungen offenbarten das ganze Ausmaß seiner moralischen Zerrüttung. Die Suche nach tieferer Erkenntnis Gottes verleitete ihm dazu, den verderblichen Einflüsterungen des Dämons Gehör zu schenken. Victa iacet Virtus!“
                Niederstrasser starrte ins Leere, seine Pupillen glichen grundlosen Brunnenschächten. Für einen Augenblick schien er in die Abgründe des Fegfeuers zu blicken:
                „Meist beginnt alles ganz harmlos. Mit einer Persiflage auf die Passionsgeschichte, einer satirischen Posse wie der Cena Cypriani.“
                Simon machte eine unbeteiligte, desinteressierte Miene. Seinetwegen konnte der Alte ruhig die Geschichte vom toten Hund erzählen. So leicht würde er sich nicht auf eine falsche Fährte locken lassen:
                „Das Gastmahl des Cyprian parodiert die biblische Hochzeit von Kana. Die Legende nennt Cyprianus, den heiligen Bischof von Karthago, als Verfasser. Wahrscheinlich handelt es sich jedoch um ein Werk der Spätantike, dass uns im Stile einer Impossibilia, eine Spiegel verkehrte Gegenwelt vor Augen hält. Eine Groteske, in der die Weisen als Narren, die Asketen als Fresssäcke, die Heiligen als Hanswursten erscheinen. Eine Art Karneval der Ketzer in dem Jesus als Verräter karikiert und Judas zum Messias stilisiert wird! Dirrigl hat in dem Werk jedoch offenbar mehr als einen satirischen Seitenhieb auf Bigotterie und Frömmelei gesehen. Irgendwann muss er angefangen haben, in den Apokryphen und anderen, aus dem Kanon aussortierten Schriften nach der wahren Geschichte, nach dem wahren Glauben zu suchen.“
                Simon wurde langsam ungeduldig. Was juckte ihn eine 2000 Jahre alte Posse, er war begierig mehr über das Doppelleben Dirrigls und dessen Beziehungen zum Teufel in Erfahrung zu bringen.
     
    Um die eingefallenen Mundwinkel des alten Teufelsaustreibers zuckte es. Seine knochigen Klauen hielten sein Glas im Würgegriff:
                „Die Überprüfung der Festplatte ergab, dass Pater Dominikus regelmäßig Satanisten-Sites frequentiert und Mail-Kontakt zu einschlägigen Gruppen wie den Kainiten oder den Sibyllen der Goetia unterhalten, ja anonym Beiträge für ihre Pamphlete verfasst hat. In seiner Wohnung fanden sich stapelweise Bücher zu Themen wie Nekromantie, Teufelsbeschwörung und

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