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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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schenkten sich nichts. Die Wut im Bauch verlieh ihnen anfänglich titanische Kräfte. Nach fünf, sechs Hammerschlägen war den „Champs“ indes anzumerken, dass Sie aus der Übung waren. Mit der rapide nachlassenden Kondition erlahmte der Kampfgeist – die Hiebe gingen saft- und kraftlos ins Leere. Wie tollpatschige Tanzbären umkreisten Sie einander, wie angezählte Sumo-Ringer klammerten Sie sich aneinander. Ihre von blauen Flecken verunzierten Gesichtspartien glänzten wie im heißen Fett gesottene Speckstreifen. Die beiden waren stehend K.O. – unfähig den anderen auf die Matte zu schicken. Simon und Sebald tauschten verständnisinnige Blicke. Es war ihre Pflicht einzuschreiten und dem sinnlosen Kampf ein Ende zu bereiten. Mit wie zum Bruderkuss geöffneten Armen näherten Sie sich den beiden angeschlagenen Kämpen. Wie Chrustschow dereinst Ulbricht drückte Sebald Ewald an sein bolschewistisches Bruderherz:
                „Sdrastwuitje Towarischi! Hockt’s euch her!“
                Um ihr Gesicht zu wahren, beschuldigten sich die Genossen gegenseitig den Bruderzwist verschuldet zu haben:
                „An mir liegt es nicht. Der Streithammel gibt keine Ruh!“
                „Was heißt hier Bibergockel? Hab ich vielleicht zum schlägern angefangen?“
                Sebald gefiehl sich offensichtlich in der Rolle des Friedensstifters und schlug einen salbungsvollen Ton an:
                „Was war ist, ist geschehen. Und weil es wahr ist,  schlucken wir es runter!“
                Simon gab sich gleichsam konziliant und lüpfte den Humpen:
                "Zum wohl sein! Man muss nur wollen, dann wird das schon."
     Mit sauertöpfischem Gesichtsausdruck prosteten sich die widerborstigen Sturköpfe zu und leerten das Glas auf Ex. Simon lächelte selbstzufrieden in sich hinein. Sein Verhalten war einem Diogenes oder Epikur würdig, er hatte sich wie ein wahrer Philosoph über die Niederungen der menschlichen Leidenschaften, über Missgunst, Geltungsbedürfnis und Streitsucht erhaben gezeigt. Wer über den materiellen und emotionellen Dingen stand, gelangte unweigerlich zur ernüchternden Erkenntnis, dass der Mensch in diesem Leben nichts gewinnen und im Endeffekt nur alles verlieren konnte – und zum Schluss das Leben. Das Fatum war unabwendbar. So lautete der Richtspruch der Götter, egal ob man an Isis oder Serapis, an Mithras oder Manitu, an Jesus oder Jahwe glaubte. Alle Liebes- und Lebensmühe war letztendlich vergeblich. Wie ein Stoiker stierte Simon sinnierend ins Glas: Wer wider die göttliche Ordnung aufbegehrte, dem war das Schicksal des Prometheus beschieden. Der hatte das Spiel der Götter durchschaut und die Menschen vor den Göttern gewarnt. Jener furchtlose Titan hatte die Funken des Geists am Feuer der Erkenntnis entzündet. Er war der Fackelträger, der Freisinnige, das Urbild Luzifers. Ein Erleuchteter und Erleuchtender, der es Licht werden ließ im Dunkel des irdischen Jammertals.
     

Die Gesandten des Grauens
    Philosophia non in verbis, sed in rebus est! Wahre Philosophie betrachtet nie die Denotationen der Dinge sondern deren Konnotat!
     
    Was charakterisierte die Natur der Dinge? Welche Male, Muster und Zeichen waren ihnen eingeprägt? Wessen Petschaft drückte sich in deren Siegellack? War nicht jedes Teil ein Torso, blieb nicht jeder Text ein Fragment, das unvollkommene Bruchstück einer unendlichen Reihe möglicher Buchstabenkombinationen, wie die Kabbalisten behaupteten? Barg die Numerologie, die Gematria den Schlüssel zum tieferen Verständnis einer sorgfältig verschlüsselten Handschrift? Stunde um Stunde hatte Simon damit verbracht, sich durchs Dunkel von Dirrigls „Memoiren“ zu wühlen. In sichtlicher Verzweiflung hatte er Enzyklopädien konsultiert, Chroniken und Monographien zu Rate gezogen, ohne dass sich ein Hoffnungschimmer am Ende des Tunnels zeigte. Alle Anstrengungen waren vergebens! Er hatte nicht das kleinste Indiz gefunden, um das brüchige Flickwerk seiner Vermutungen zu untermauern, das schwankende Gebäude seiner Hypothesen zu stützen. Da war keine chiffrierte Botschaft, da war keine Stimme aus dem Jenseits, die ihm den Weg zur Erkenntnis wies. Simon starrte auf den flimmernden Monitor. Seine Augen tränten, sein Blick irrte durch die Seite um Seite umspannenden Wortwüsten. In Dirrigls Notizen fanden sich Zeichnungen von Hohlkörpern, von rotierenden Kugeln auf

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