Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
Vom Netzwerk:
habe mit seiner Eminenz Archidiakon Niederstrasser über ihren Fall gesprochen. Er schätzt Sie und sorgt sich um ihre Sicherheit! Ich bitte Sie, helfen Sie mir! Sie sind der einzige, der Licht ins Dunkel bringen kann.“
                Der Appell ans Ego des Alten verhallte ungehört. Der Eremit schien hochgradig erregt, schien vom Jähzorn entflammt:
                „Dieser Heuchler. Er und seine verlogene Templerbande spucken aufs Kreuz und verleugnen die Leiden des Herrn!“
                Geifer tropfte aus seinen schief herabhängenden Mundwinkeln:
                „Verflucht seien die Diener Baphomets! Ihnen ist die Hölle, wie den Seligen ist das Himmelreich. Denn wisset, Gott ist gerecht und von großer Güte. Er ist der Gott der Liebe und der Wahrheit! Er hilft den Sündern auf, die mit reinem Herzen die Vergebung ihrer Schuld begehren. Sie werden eingehen in die Pracht und Herrlichkeit des neuen Jerusalems. Doch wehe euch, ihr Jünger Sodoms! Der Menschensohn wird mit Feuer und Schwert über euch kommen!“
                Aus dem Gesicht des Predigers war alle Farbe gewichen, seine Miene war starr wie die einer Mumie. Frater Ägid zog alle apokalyptischen Register:
                „Es wird ein großes Heulen und Zähneklappern herrschen, da Jesus kommt, um die Söhne Sodoms zu strafen: Verdammt seid ihr, die ihr euch den Teufel zum Vater erwählt und nach eures Vaters Gelüsten getan habt! Ihr, die ihr des Satans Sachwalter seid, werdet geworfen in den feurigen Schwefelpfuhl - und werdet brennen von Ewigkeit zu Ewigkeit. Denn er wird kommen und unter seinen Schritten werden Himmel und Erde erbeben und sein feuriger Atem wird vernichten die Brut des Bösen!“
                Simon lief es eiskalt den Buckel hinunter. Obwohl Simon nicht zu den „Bibelfesten“ zählte, ließ sich doch unschwer erkennen, dass der Eremit mit Wortschnipseln aus der Johannesapokalypse jonglierte. Das Buch der Sektierer und Schwärmer speiste sich aus dunklen, gnostischen Quellen und lieferte reichlich Zündstoff für die Gilde der Propheten und Wahrsager. Simon hatte das fortwährende Geschwafel von Schwefel und Frevel gründlich satt:
                „Wissen Sie wer für den Mord an Paulus Paintinger und den Tod Dekan Dirrigls verantwortlich ist? Wer ist der Kreuz-Killer? Gehört er zu den Söhnen Sodoms?“
                Vinzenz zupfte an seinem Ärmel und legte den Finger auf den Mund:
                „Pssst! Sei still! Merkst nicht, dass er nicht weiß was er sagt! Wir müssen behutsam vorgehen und ihn von da oben runterholen!“
                Simon grunzte gereizt:
                „Und wie? In seiner Hybris meint er noch, dass er ohne Flügel fliegen kann.“
                Tatsächlich spreizte der Eremit seine Arme, so als ob er sich in die Lüfte zu erheben gedachte:
                „Brüder! Selig sind die Armen, selig sind die da Leid tragen und geknechtet werden. Der heilige Geist ist mit euch, jetzt und bis ans Ende der Zeit. Höret die Worte des Heiligen von Fiore: Jesus hat das Kreuz genommen und den Kelch der Bitternis geleert, um uns von unsrer Schuld zu erlösen! Höret die Stimme des Predigers in der Wüste, die wie Dornen stechen und doch süß wie Honigseim sind!“
                Mit Stentorstimme verkündete der am Rande des Abgrunds Wandelnde:
                „Denn sein ist die Macht und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen!“
                Er streifte die Kutte ab, stand nackt wie der Herr ihn schuf da und erhob die Hände zum Himmel. Ohne jede Vorankündigung begann er sich wie ein Diskuswerfer um die eigene Achse zu drehen. Vinzenz ahnte Schlimmes. Er sauste wie ein gedopter Sprintstar los, sprang auf die Kiesbank und suchte den Felsblock zu erreichen, ehe ein Unglück geschah:
                „Egid, halt! Bleib stehen!“
                Erschrocken wich der Eremit vor dem ihn bedrängenden „Dämon“
                zurück, ruderte mit den Armen. Doch anstatt sich in die Lüfte zu erheben, kippte er nach hinten und stürzte mit einem überraschten Aufschrei des Entsetzens ins Leere. Ein Schrei, der im Getöse des in finstre Tiefen hinab donnernden Wassers unterging. Simon stand reglos, wie einer der Salzsäulen Sodoms. Er wusste nicht was er denken respektive glauben sollte. Hatte ein von Wahnsinn umnachteter

Weitere Kostenlose Bücher