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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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Maschinenkanonen niedergemäht worden. Pio hatte versucht die Wut, die Angst- und Rachegefühle zu verdrängen. Die Natur kannte keine Gerechtigkeit, nur den ewigen Wechsel der Veränderung. Man durfte den Toten nicht nachtrauern, sondern musste an sich und ans eigne Überleben denken – und danach handeln! Mit zittrigen Händen hatte sich Pio eine Zigarette angezündet und den Horizont nach Flugzeugen abgesucht: Nichts! Der Spuk der Spitfires war so schnell verschwunden, wie er aufgetaucht war. Der Himmel über den Bergen war von einer heiteren, hoffnungsfrohen Bläue, so als ob die Welt ringsum im tiefsten Frieden läge. Niemand war mehr hier, um ihm, den Gefreiten Koloman Hallhofer, Befehle zu erteilen. Das Schicksal hatte ihn zum „Führer“ bestimmt. Und als solcher, war er es der die Entscheidungen traf. Pio hatte angestrengt nachgedacht, hatte den Tabakrauch in tiefen Zügen inhaliert. Was sollte er tun? Umkehren? Dem großkotzigen Standortkommandanten Meldung machen, sich von seinen Satrapen scheel anschauen und von den Feldjägern durch die Mangel drehen lassen? Nein danke! Für ihn war der Krieg vorbei! Als erstes musste er herausfinden, was sich in den klobigen Transportkisten verbarg: Munition, Material zum Bau von Bomben – oder befand sich darin edleres Metall als Nickel und Blei? Der Gedanke an Silber und Gold ließ ihn die verplombten Schlösser im Handumdrehen erbrechen. Mit gierigen Händen hatte er in der Holzwolle herumgewühlt – doch statt auf Goldbarren oder Bündel von Pfundnoten war er auf in Ölzeug eingeschlagene, dickleibige Buchungetüme gestoßen. Erst Jahrzehnte später hatte Pio erfahren, dass ihr Kommandeur Oberstandartenführer Altenbrunner, von ganz oben den Geheimbefehl erhalten hatte, die wertvollsten Bestände der Berghof-Bibliothek zu evakuieren und auszulagern. In fieberhafter Hast hatte Pio Kiste um Kiste aufgesprengt - und nichts gefunden als bedrucktes oder per Hand beschriebenes Papier oder Pergament. Damals hatte er mit all den Kodizes und Kompendien, den Enzyklopädien und Enzykliken nichts anzufangen gewusst – ja der ganze Plunder war ihm wertlos erschienen. Um seiner Wut, seiner Enttäuschung Luft zu machen, hatte er einer der Kisten einen Tritt versetzt und sich dabei die große Zehe angebrochen. Der jäh aufflammende Schmerz hatte ihn zur Besinnung kommen lassen. Mit mürrischer, Schmerz verzerrter Miene hatte er den zuoberst liegenden, in rotbraunes Leder gebundenen Folianten einer genaueren „Inspektion unterzogen“. Beim Blättern in den mit farbenprächtigen Illustrationen und kunstvoll verschnörkelten Initialen verzierten Seiten hatte es bei ihm geklingelt: das „alte Zeug“ ließ sich sehr wohl zu Geld machen. Wenn auch nicht hier und jetzt, so doch zu einem späteren Zeitpunkt. Ohne weiter nachzudenken hatte er das Buch als „Referenzstück“ in seinem Rucksack gepackt. In seinem zweiten oder dritten Jahr in Rom hatte er einen Antiquar am Corso aufgesucht, um den Folianten begutachten zu lassen: es handelte sich um ein höchst seltenes, handkoloriertes, um astrologische Tafeln und nekromantischem Kalendarium ergänztes Grimoire, dass Hitler höchstwahrscheinlich bei Seancen verwendet hatte, um die Geister Richard Wagners oder Friedrichs des Großen anzurufen. Blieb das Problem des Abtransports! Die Kisten wogen gut und gerne 60 Kilo. Da hörte er ein klägliches Wiehern, dass nur aus dem Maul eines ihrer Mulis kommen konnte. Er folgte den herzerweichenden Klagerufen und fand das verängstige, kopfscheue Tier in einem schmalen Einschnitt zwischen zwei Findlingsblöcken. Vorsichtig näherte er sich ihm und lockte das Muli mit gutturalen Rufen:
                „Ruhig! Kennst mich doch! Du bist der dicke Herrmann, gell? Ja, du bist ein ganz ein Braver!! Du Armer, bist ganz allein was? Deine Kumpels, der Benito und der Joseph sind für den Endsieg gefallen.“
                Im Gegensatz zu seinem Bruder, hatte er es immer verstanden, mit Tieren umzugehen. Er hatte die dicke, borstige Mähne des Graukittels gekrault, ihm mit sanfter, besänftigender Stimme in die spitzen Ohren geflüstert:
                „Wenn du folgsam bist, kriegst du einen ganzen Sack voll Gelberüben, versprochen!“
                Das hatte gewirkt. Er hatte das schwer bepackte Maultier in Schlepptau genommen und war zur Pfandler-Alm hinabgetrabt. Auf der Sennhütte hauste um diese Jahreszeit noch niemand. Er hatte das Muli von seiner Last

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