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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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entsetzten, fassungslosen Mienen zu delektieren, die nichts von der fetten Hammelkeule abbekamen. Pankraz würde einen Tobsuchtsanfall, einen Schreikrampf bekommen, die geldgierige Bagage würde mit den Zähnen knirschen und ihn dreimal verfluchen. Ein gehässiges, mephistophelisches Grinsen furchte seine Mundwinkel. Er würde den Rehkadaver verbuddeln, würde die Spuren seiner „Tat“ beseitigen, so wie er es immer gemacht hatte. Wieso sollte er jetzt, so kurz vor dem Herzschlagfinale, noch anfangen seine Einstellung zum Leben wie zum Tod zu ändern?
     
    Vom Himmel drohte Unheil. Kohlschwarze Wolkenwände türmten sich über den Bergen, riesenhafte gespenstische Gebilde, die sich wie ein düstrer Schatten auf die Erde legte. Urweltlicher Brodem wallte aus den Felsenklüften. Himmel und Erde schienen eins werden zu wollen. Paintinger zog den Poncho über den Kopf. Fluchend watete er durch moorige Tümpel, stapfte durch modrigen Morast. Die klamme, feuchte Kälte kroch ihm in die Knochen. Er spürte ein dringendes Verlangen Druck abzulassen! Mit steifen Gichtfingern nestelte er die Hirschhornknöpfe der Lederhose auf und lenkte einen dünnen, von Prostatabeschwerden zeugenden Strahl gegen den erstbesten Busch:
                „Da ist es auch schon mal besser gelaufen!“
                Der Schnürlregen ging nahtlos in einen heftigen Platzregen über. Die Tropfen zerplatzten wie Schrotkugeln auf seiner Haut. Paintinger hastete bergab. An der Weggabelung ließ er den Jägersteig links liegen und nahm den breiteren, nicht ganz so steilen Weg, der über die Rote Marter zur Forststraße hinunter führte. In Gedanken hockte er bereits in Moosgrubers Büro, ging mit dem Notar die Verfügungen des Testaments durch.
                Rechter Hand tauchte das Marterl zwischen Nebelfetzen auf. In den Not- und Pestzeiten des Dreißigjährigen Kriegs hatten die Bauern der Umgebung ein feierliches Gelöbnis abgelegt, jedes Jahr an Karfreitag zur Marter zu pilgern, den Leib Jesu mit roter Farbe anzustreichen, um ihn so im übertragenen, symbolischen Sinne bluten zu lassen. Drei Jahrhunderte lang hatten sich die Bauern getreulich an das Gelübde gehalten. Nach dem letzten Krieg war der alte Brauch allerdings rasch in Vergessenheit geraten. Die Virgilswinkler wollten das Vergangene vergessen, wollten Gras über die alten Geschichten wachsen lassen, die Erinnerungen an die uneingestandene Schmach der Niederlage verdrängen. Zu bitter schmeckte der Kelch der Befreiung. Über die Jahre hatten Wind und Wetter die rote Lackfarbe abblättern lassen. Paintingers Erinnerungen an die Zeit, als er inmitten einer in die Hunderte zählenden Wallfahrerschar hierher gezogen war, waren so verblasst wie die Fleischfarbe auf dem Corpus Christi. Mit einem Seitenblick streifte er den ausgemergelten, sich um den Kreuzbalken windenden Holzleib des Herrn.
                Ein Rascheln im Blätterwald ließ seine empfindlichen Ozelotohren aufhorchen. Er hielt inne, tappte auf Pantherpfötchen weiter. Der weiche Waldboden dämpfte seine Schritte. Was kroch, was schlich da durchs Gehölz? Kreuzte ein kapitaler Bock seine Bahn, sprang ihm gar ein verirrter Braunbär vors Rohr? Lautlos ließ er den Stutzen von der Schulter gleiten. Wieder hörte er das Geräusch sich biegender Äste, zurückschnellender Zweige. Die Schallwellen schienen aus allen Richtungen, von überall her zu kommen. Mit dem Jagdgewehr im Anschlag schlich er an das Wegkreuz heran, tunlichst darauf bedacht keinen Mucks zu machen, sich durch keine unachtsame Bewegung zu verraten. Er würde den Eber, den Hirschen überraschen und ihm eine Kugel auf den Pelz brennen. Da drang der metallisch, schneidende Klang einer ihm vertraut vorkommenden Stimme an sein Ohr:
                „Waidmanns Heil, Pauli! Noch immer der Schütze der im Dunklen wacht?“
                Wer war das? Er zuckte zusammen, presste seinen Ärger, seinen Unmut heraus:
                „Wer ist da? Was schleichst du da draußen herum? Zeig dich gefälligst, wenn du mit mir reden willst, du blödes Arschloch!“
                Doch er erhielt keine Antwort auf seine freundliche Aufforderung. Nur der Regen fiel unaufhörlich vom Himmel. Irritiert drehte er sich im Kreis. Der Wegelagerer schien wie vom Erdboden verschluckt. Hastig haspelte er eine Beschwörungsformel herunter:
                „Valentin, Vitus, Veit! Stru, Schnu, Spucunifait! Helft

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