Cruzifixus
mir in der Not, auf dass die Anderen trifft der Tod!“
Langsam setzte sein klares Denken wieder ein. Wer hockte bei dem Pisswetter freiwillig im Busch, um ihm einen Schrecken einzujagen? War ihm Pankraz heimlich hierher gefolgt? Schwer vorstellbar. Der ließ sich wahrscheinlich gerade von irgendeiner Odel-Odaliske den Schwanz polieren. Wer sonst kam auf solch hirnrissige Ideen?
Eigentlich kam nur einer in Frage: Wiguläus Wollwieser! Dem Wig war alles zuzutrauen und er wusste, dass er in seinem Revier am Höllenstein auf der Pirsch war. Dieser Suffdimpfel, der schon früher bei ihren geheimen Nacht- und Nebelaktionen immer breit wie eine Haubitze, dementsprechend zu nichts zu gebrauchen gewesen war. Wollwieser war ein Springginkerl, der nur Unsinn im Sinn hatte - dem jeglicher Jux und Tollerei zuzutrauen war:
„Wig, bist du das? Du damischer Kindskopf. Komm raus da, sonst komm ich rein – und pack dich beim Schlawittel!“
Seine Worte verhallten ungehört. Es war so, als ob er mit einer Wand redete. Das lastende Schweigen wirkte beklemmend, bedrohlich. Er hatte das mulmige Gefühl, dass er beobachtet, ins Visier genommen wurde. Seine Nackenhaare sträubten sich unter dem durchnässten Ölumhang. Dort draußen lauerte jemand. Er wusste zwar nicht was jener jemand im Schilde führte, bezweifelte aber, dass es etwas Gutes war. Tiefe Sorgenfurchen kerbten sich in seine schweißnasse Stirn. Hinter seinen Schläfen pochte es. Er hatte nur eine, wenn auch minimale Chance: er musste die Böschung hinunterrutschen und hinter einen vom Sturm entwurzelten Fichtenstamm in Deckung gehen. Sein ganzer Körper spannte sich wie eine Sprungfeder. Die Spannung wuchs schier ins Unerträgliche. Um den unsichtbaren Gegner in Sicherheit zu wiegen, ließ er das Gewehr sinken, gab sich unbekümmert und sorglos wie Hans Guckindieluft:
„Wig, du alter Schnallentreiber. Wenn ich dich erwische, zieh ich dir die Hammelhaxen lang!“
Er gluckste, grunzte froh vergnügt vor sich hin. Dabei spürte er wie ihm der Schweiß mit klebrigen Spinnenbeinen den Buckel hinunter lief. Er durfte sich nicht verrückt machen, sich nichts anmerken lassen. Nicht der Jäger, die Angst war des Hasen Tod.
Nur noch wenige Meter trennten ihn von der Stelle, wo sich ein Stück unterhalb des Wegs eine kahl rasierte Windwurffläche erstreckte. Da hörte er ein Rumoren im Gehölz. Jemand schob Zweige und Äste beiseite, wechselte die Stellung. War das die Chance, die er vielleicht kein zweites Mal erhielt? Er beschleunigte seine Schritte, da hörte er hinter ihm eine Stimme, eine harte, militärisch gedrillte Kommandostimme, die keinen Widerspruch duldete:
„Ruki werch, gospodin! Lass deinen Stutzen fallen und dreh dich langsam um! Keine Sperenzchen! Eine falsche Bewegung und du hast nicht mal mehr Zeit für ein Vaterunser. Verstanden!“
Bluffte der Kerl? Paintinger sah sich gehetzt nach einem Ausweg um. Wer war dieser Irre? Was wollte er von ihm? Ihn berauben, ihn entführen, ihn hinterrücks abknallen? Letzteres konnte er wohl ausschließen. Wenn er ihn liquidieren sollte, hätte er es längst getan. Sein Widersacher wollte ihn also lebend. Sollte er alles auf eine Karte setzen, ansatzlos zum Angriff übergehen? Herumwirbeln, aus der Hüfte feuern? Er war noch immer ein treffsicherer Schütze. Es war indes mehr als unwahrscheinlich, dass ihn sein Gegner genug Zeit lies, um zu zielen. Er würde tot sein, ehe er bis Zwei zählen konnte. Die Stimme wurde ungeduldig:
„Brauchst eine Extraeinladung? Die Patschhändchen hoch und keine Mätzchen, Panther!“
Ein bitteres Lächeln spielte um seinen Mund: der Unbekannte wusste also wer er war, kannte sogar seinen Spitznamen. Nun, sei es drum! Er würde sich nicht kampflos seinem Schicksal ergeben, würde sich nicht wie dieser Judenbengel Isaak zum Opferaltar führen lassen! Nein, er würde diesem hinterhältigen Hund zeigen, dass er kein Fallobst war! Vielleicht unterschätzte der Unbekannte seine Entschlusskraft, vielleicht meinte er einen tollpatschigen, trotteligen Tölpel vor sich zu haben. Drei, vier Sekunden würden reichen, um das Blatt zu wenden. Er verstellte seine Stimme, blökte wie ein zur Schlachtbank getriebenes Schaf:
„Ich mache alles was
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