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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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handeln, dann würde er wie ein Düsenjet abheben und jenem fernen Silberstreif am Horizont entgegen fliegen. Silberhelle Klangfontänen schossen in die Höhe, mollig murmelnde Melodien flossen um ihn her. Mozart war für ihn wie Moses - er führte seine Jünger ins gelobte Land der Harmonien, ließ eine nie versiegende Quelle reiner Kadenzen und verspielter Koloraturen aus kahlem Felsengrund hervorsprudeln. Simon liebte dieses hauchzarte Allegretto, jenes strahlende Allegro, das schmachtende Adagio. Mozart war ein hochbegabtes Medium gewesen, der die Sphärenklänge aufgefangen, auf Tonleitern gen Himmel gefahren und jedes seiner, vom Geist des Genies nur ephemer gestreiften Themen zur Apotheose verdichtet hatte. Die bedrückte Niedergeschlagenheit fiel wie ein zu eng gewordener Kokon von Simon ab, wich einer neuen Zuversicht, die ihn die Zukunft in rosigeren Farben malen ließ. Seine Fingerknöchel trommelten im Takt aufs Lenkrad:
                „Là ci darem la mano, là mi dirai di si. Vedi, non è lontano, partiam, ben mio, da qui!“
                Nach einer Weile versandete das Gesumme und Gebrumme. Nachdenklich geworden strich sich Simon übers Kinn. Hatte ihn Rainfried ohne es zu ahnen, auf die richtige Spur gebracht? Wiesen Rainfrieds scheinbar so bizarre, widersinnige Ideen den Weg zum belletristischen Bestseller? War es wirklich so abwegig Parallelen zwischen den Allmachtsansprüchen des Messias und der Herrenmenschenideologie des Führers zu ziehen? War Hitler ein Heiland der Heiden? Wie paralysiert starrte er durch die Windschutzscheibe, so als ob die Parusie, die Wiederkunft Christi, unmittelbar bevor stünde.
     
    Auf der feuchten Fahrbahn spiegelte sich das Licht der Scheinwerfer. Über den Bergen zuckten noch vereinzelte Blitze. Der Himmel begann von Osten her aufzuklaren, die ersten Sterne glitzerten wie die Splitter eines Diamantdiadems durch die Wolkenfetzen. Das schnurgerade Band schnitt durch die Monotonie der öden Moorlandschaft. Keine Kurve krümmte die lange Gerade. Simon drückte auf die Tube. Er musste sich beeilen, wenn er noch rechtzeitig zu seinem Date kommen wollte. Vroni reagierte extrem allergisch, wenn man sie über Gebühr warten ließ. In dieser Hinsicht war Sie ganz Frau. Simon freute sich Vroni zu sehen und von seiner „Sibylle“ zu erfahren, was sie von der Geschichte hielt. Seine Kollegin besaß ein feines, untrügliches Gespür für die Erfolgsaussichten einer Story und registrierte noch die kleinsten, zeitgeistigen Schockwellen mit der Präzision eines Hochleistungsseismographen. Ließ sich aus dem Stoff ein spannungsgeladenes Epos von elementarer Gewalt extrapolieren oder lief er Gefahr einen Kitschroman vor apokalyptischer Kulisse zu konzipieren. Vroni würde ihm schonungslos die Meinung sagen. In Gedanken spielte er die Eck- und Wendepunkte des Plots durch. Wie in antiken Dramen würde er den Olymp zum Schauplatz seines Prologs wählen. Mit Unverständnis und unversöhnlichem Groll betrachtete Gottvater das Treiben auf Erden. Luzifer fuhr einen bedenkenlosen Expansionskurs und war drauf und dran die Erde in eine zweite Hölle zu verwandeln. Selbst der harte Kern der Auserwählten, war dabei abtrünnig zu werden und den Dekalog der zehn Gebote zu missachten. Die Mission des Menschensohns hatte nicht die erwünschten Langzeiteffekte gezeitigt, ja sie war ein Fehlschlag gewesen. Sah doch die Seelenbilanz trauriger aus als je zuvor! So durfte es nicht weitergehen. Verärgert beschließt Gott seine Anteile an der Welt AG an den Teufel zu veräußern. Junior-Chef Jesus jedoch sieht in dem blauen Planeten einen Zukunftsmarkt, dem man nicht so einfach der Konkurrenz überlassen dürfe. Jesus setzt Himmel und Hölle in Bewegung, stellt einen Finanzierungsplan auf und zieht alle Register seiner rhetorischen Kunst, um den Senior zu überzeugen, dass der Kreuzzug zur Restrukturierung des Unternehmens Erde mittelfristig satte Renditen abwerfen wird. Simon lenkte mit der einen Hand und durchwühlte mit der anderen das Handschuhfach. Endlich wurde er fündig. Er schaltete das Diktafon ein und ließ das als Gedächtnisstütze unentbehrliche Gerät laufen:
                „Gott zweifelt. Die Messias-Mission Teil Zwei erscheint ihm mit zu vielen unkalkulierbaren Risiken behaftet. Der größte Unsicherheitsfaktor ist sein Sohnemann, ein unverbesserlicher Idealist: altruistisch, gütig, barmherzig. Sein edler Charakter, seine hehren Motive waren über alle

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