Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)

Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)

Titel: Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Flynn
Vom Netzwerk:
Sachen wie dass sie vergessen habe, sich für ein Seminar einzuschreiben, und so weiter, dabei sollte sie doch drei Tage in der Woche den Kurs Geographie  101 besuchen, und sie verkündete es stolz wie ein Kindergartenkind, das einen goldenen Stern gemalt hat.
    Schließlich lernte ich ihre Mutter kennen. Sie sauste durch unser Zimmer, stellte viele Fragen, wusste auch eine ganze Menge über mich. Sie brachte Alison einen großen Beutel Sicherheitsnadeln mit, die sie für praktisch hielt, und nachdem die beiden weg waren, brach ich zu meiner Überraschung in Tränen aus. War fassungslos angesichts dieser unbedeutenden, aber freundlichen Geste. Fragten sich andere Mütter tatsächlich, ob ihre Töchter Sicherheitsnadeln gebrauchen konnten? Meine Mutter rief einmal im Monat an und stellte immer die gleichen nüchternen Fragen (Noten, Seminare, künftige Kosten).
    Ich kann mich nicht erinnern, Adora als Kind auch nur meine Lieblingsfarbe verraten zu haben oder wie ich meine Tochter nennen wollte, wenn ich groß war. Ich glaube, sie weiß bis heute nicht, was ich am liebsten esse, und ich bin nie verweint in ihr Zimmer getappt, weil ich einen Albtraum hatte. Traurig war ich immer, ich kam aber nie auf die Idee, bei meiner Mutter Trost zu suchen. Sie hat mir nie gesagt, dass sie mich lieb hat, und ich habe es auch nie geglaubt. Sie kümmerte sich um mich. Sie versorgte mich. Oh ja, und einmal kaufte sie mir Lotion mit Vitamin E.
    Eine Zeit lang redete ich mir ein, Adoras Zurückhaltung sei ein Schutzwall, den sie nach Marians Tod aufgebaut habe. Doch in Wirklichkeit hatte sie immer Schwierigkeiten mit Kindern, was sie aber niemals zugeben würde. Ich glaube, sie hasst sie sogar. Ich erinnere mich an eine gewisse Eifersucht, eine Wut, die ich bis heute spüre. Irgendwann einmal mag ihr die Vorstellung, eine Tochter zu haben, wohl gefallen haben. Als Mädchen träumte sie sicher davon, Mutter zu werden, ihr Kind zu liebkosen, es abzulecken wie eine Katzenmutter. Sie ist gierig, wenn es um Kinder geht. Sie stürzt sich förmlich auf sie. Selbst ich wurde geliebt, wenn andere dabei waren. Nachdem die Trauerzeit für Marian vorüber war, führte sie mich in der Stadt vor, lächelte, neckte und kitzelte mich, wenn sie sich mit Leuten unterhielt. Sobald wir nach Hause kamen, verschwand sie in ihrem Zimmer wie ein unvollendeter Satz. Ich stand draußen, das Gesicht an die Tür gepresst, und ließ den Tag Revue passieren. Grübelte, womit ich sie verärgert haben könnte.
    Eine Erinnerung hat sich in mir festgesetzt wie ein Geschwür. Es war etwa zwei Jahre nach Marians Tod. Meine Mutter hatte einen Schwarm Freundinnen nachmittags auf einen Drink eingeladen. Eine brachte ihr Baby mit. Stundenlang wurde es umgurrt, mit lippenstiftroten Küssen erstickt, mit Taschentüchern saubergewischt und wieder vollgeschmatzt. Ich sollte eigentlich in meinem Zimmer bleiben und lesen, saß aber oben an der Treppe und schaute zu.
    Schließlich reichte man meiner Mutter das Baby, und sie knuddelte es heftig.
Ist das schön, mal wieder ein Baby im Arm zu halten!
Adora ließ es auf den Knien reiten, trug es von einem Zimmer ins andere, flüsterte ihm zu, und ich thronte dort oben wie eine kleine rachsüchtige Göttin, den Handrücken an der Wange, und stellte mir vor, wie es sei, die Wange meiner Mutter zu spüren.
    Als die Damen beim Abräumen halfen, veränderte sich etwas. Meine Mutter war auf einmal allein im Wohnzimmer und schaute das Kind beinahe lüstern an. Sie presste die Lippen hart auf die apfelrunde Wange, öffnete leicht den Mund, nahm ein winziges Stückchen Fleisch zwischen die Zähne und biss zu.
    Das Baby schrie los. Der Fleck verblasste, während Adora das Kind wiegte und den anderen Frauen erzählte, es sei nur ein bisschen durcheinander. Ich rannte in Marians Zimmer und verkroch mich unter der Decke.
     
    Nach der Sache mit den Nashs und meiner Mutter ging ich zu Footh’s. Ich trank zu viel, war aber nie wirklich betrunken. Redete ich mir jedenfalls ein. Nur ein Schlückchen. Alkohol als Schmiermittel, die Vorstellung hat mir immer gefallen – eine Schutzschicht gegen schneidende Gedanken. Der Barkeeper, ein Typ mit Mondgesicht, war zwei Klassen unter mir gewesen und hieß meines Wissens Barry, doch ich sprach ihn vorsichtshalber nicht mit Namen an. »Willkommen daheim«, murmelte er und füllte mein großes Glas zu zwei Dritteln mit Bourbon, über den er etwas Cola spritzte. »Der geht aufs Haus«, sagte er zum

Weitere Kostenlose Bücher