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Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)

Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)

Titel: Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Flynn
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Serviettenständer. »Von hübschen Frauen nehmen wir kein Geld.« Sein Hals lief rot an, und er hatte plötzlich dringend am anderen Ende der Theke zu tun.
    Auf dem Rückweg fuhr ich den Neeho Drive entlang. Hier hatten einige meiner Freundinnen gewohnt. Die Straße durchschnitt die ganze Stadt und wurde zunehmend schicker, wenn man sich Adoras Haus näherte. Ich entdeckte Katie Laceys Elternhaus, elegant, aber unsolide; es wurde erbaut, als wir zehn waren. Die Laceys hatten ihr altes Haus im viktorianischen Stil eigenhändig abgerissen.
    Einige Straßen weiter zuckelte ein Mädchen in einem Golfcaddy mit Blumenaufklebern dahin. Es trug aufwendig geflochtene Zöpfe und erinnerte an Werbung für Schweizer Schokolade. Amma. Sie hatte Adoras Besuch bei den Nashs genutzt, um sich davonzumachen – seit dem Mord an Natalie ging in Wind Gap kaum noch ein Mädchen allein auf die Straße.
    Doch sie fuhr nicht nach Hause, sondern nach Osten, wo spottbillige Häuschen standen und die Schweinefarm lag. Ich bog um die Ecke und folgte ihr so langsam wie möglich.
    Der Straße führte bergab, und der Wagen rollte so schnell, dass Ammas Zöpfe im Wind flatterten. In zehn Minuten waren wir draußen auf dem Land. Hohes, gelbliches Gras und gelangweilte Kühe. Scheunen, schief wie alte Männer. Ich rollte ein Stück im Leerlauf, um Amma einen Vorsprung zu lassen, und blieb dann so weit hinter ihr, dass ich sie gerade noch sehen konnte. Es ging vorbei an Bauernhäusern und einem Stand, an dem man Walnüsse kaufen konnte. Dahinter stand ein Junge, der seine Zigarette lässig wie ein Filmstar hielt. Bald überfiel mich der Geruch von Scheiße und altem Speichel, und ich ahnte, wohin wir fuhren. Noch zehn Minuten, dann kamen die metallenen Schweinekäfige in Sicht, lang und schimmernd wie eine Reihe Heftklammern. Das Quieken tat mir in den Ohren weh. Wie das Knarren einer rostigen Pumpe. Meine Nase blähte sich unwillkürlich, mir tränten die Augen. Wer je in der Nähe eines Schlachthofs gewesen ist, weiß, wie ich mich fühlte. Der Geruch ist nicht flüssig oder gasförmig, sondern fest und greifbar. Als könnte man ein Loch in den Gestank schneiden, um sich Erleichterung zu verschaffen. Aber es geht nicht.
    Amma sauste durchs Tor. Der Pförtner winkte ihr zu. Mich ließ er erst rein, als mir das Zauberwort einfiel: Adora.
    »Klar, jetzt fällt es mir wieder ein, sie hat ja noch eine erwachsene Tochter«, sagte der alte Mann. Mexikaner bekommen nur dann gemütliche Jobs, wenn sie den Chef in der Hand haben. So läuft das hier unten: Die Mexikaner kriegen die beschissensten und gefährlichsten Jobs, die Weißen meckern trotzdem.
    Amma parkte ihren Caddy neben einem Laster und klopfte ihre Kleidung ab. Dann ging sie zielstrebig am Schlachthaus und den Schweineställen vorbei, in denen sich feuchte, rosige Schnauzen an die Luftschlitze pressten. Sie betrat ein scheunenartiges Gebäude aus Wellblech, in dem die Aufzucht untergebracht war. Die meisten Sauen werden immer wieder besamt und werfen wie am Fließband, bis ihr Körper ausgelaugt ist und sie im Schlachthaus landen. Doch solange sie nützlich sind, zwingt man sie zum Säugen – schnallt sie mit gespreizten Beinen und entblößten Zitzen auf der Seite liegend fest. Schweine sind ausgesprochen kluge, gesellige Geschöpfe mit starken familiären Bindungen. Für die Milchsauen ist die erzwungene Intimität beim Fließbandsäugen schier unerträglich, sie würden am liebsten sterben. Was sie, sobald der Milchfluss versiegt, auch tun.
    Schon die Vorstellung widert mich an. Sieht man es dann auch noch mit eigenen Augen, verliert man einen Teil seiner Menschlichkeit, so als schaute man tatenlos bei einer Vergewaltigung zu. Ich entdeckte Amma am anderen Ende der Scheune vor einem der metallenen Aufzuchtställe. Einige Männer holten einen Haufen quiekender Ferkel heraus und warfen den nächsten Haufen hinein. Ich stellte mich an die Seitenwand, so dass ich mich genau hinter Amma befand, sie mich aber nicht sehen konnte. Das Schwein im Stall lag auf der Seite, beinahe bewusstlos, den nackten Bauch an die Metallstäbe gepresst, die blutigroten Zitzen stachen wie Finger hervor. Einer der Männer rieb die blutigste mit Öl ein und schnippte kichernd dagegen. Sie beachteten Amma nicht, als wäre ihre Anwesenheit normal. Sie zwinkerte einem von ihnen zu, als die Männer das nächste Tier in den Stall warfen und davonfuhren, um Nachschub zu holen.
    Die Ferkel im Stall wimmelten wie Ameisen um

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