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Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)

Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)

Titel: Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Flynn
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trugen beide Jeans und rote Pullis. Der Junge lächelte verlegen, als täte er gerade etwas, das niemand erfahren durfte. Natalie, etwa halb so alt wie er, blickte ernst, genauso wie die Kinder auf diesen uralten Fotografien zu Anfang des letzten Jahrhunderts in die Kamera blickten.
    »Wie heißt Ihr Sohn?«
    »John. Ein ganz lieber, sanfter Junge. Auf ihn bin ich immer besonders stolz gewesen. Er hat letzte Woche die Highschool abgeschlossen.«
    »Die haben den Stoff wohl ein bisschen gestrafft. Als ich hier noch zur Schule ging, mussten wir bis Juni warten.«
    »Hm. Längere Ferien sind ja schön.«
    Ich lächelte. Sie lächelte. Ich setzte mich und trank von meinem Wasser. Ich wusste nicht mehr, was Curry empfahl, wenn man sich erst einmal in ein fremdes Wohnzimmer getrickst hatte.
    »Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Camille Preaker. Von der
Chicago Daily Post.
Wir haben kurz miteinander telefoniert.«
    Sie lächelte nicht mehr. Ihre Kiefer mahlten.
    »Das hätten Sie mir gleich sagen müssen.«
    »Ich weiß, was Sie gerade durchmachen, aber wenn ich Ihnen einige wenige Fragen stellen dürfte …«
    »Das dürfen Sie nicht.«
    »Mrs. Keene, wir möchten fair mit Ihrer Familie umgehen, deshalb bin ich hier. Je mehr Informationen wir den Lesern liefern können …«
    »Desto mehr Zeitungen verkaufen Sie. Ich habe das alles gründlich satt. Und ich sage es Ihnen zum letzten Mal: Ich will Sie hier nie wieder sehen. Ich will keinen Kontakt. Und ich habe Ihnen absolut nichts zu sagen.« Sie stand auf und beugte sich über mich. Wie bei der Beerdigung trug sie auch heute eine Holzperlenkette mit einem großen roten Herzen in der Mitte. Sie schaukelte hin und her wie das Pendel eines Hypnotiseurs. »Sie sind ein Parasit«, zischte sie. »Sie widern mich an. Ich hoffe, Sie merken irgendwann, was für ein schlechter Mensch Sie sind. Und jetzt gehen Sie.«
    Sie folgte mir zur Tür, als wollte sie mit eigenen Augen sehen, dass ich ihr Haus verließ. Dann schloss sie die Tür so heftig hinter mir, dass die Türglocke bimmelte.
    Ich stand mit rotem Gesicht auf der Veranda und dachte gerade, dass die rote Herzkette ein hübsches Detail für meine Story abgäbe. Da bemerkte ich den Blick des Mädchens im roten Cabrio. Der Junge war weg.
    »Sie sind Camille Preaker, oder?«, rief sie mir zu.
    »Ja.«
    »Ich kann mich an Sie erinnern. Ich war noch klein, als Sie hier gewohnt haben, aber wir haben Sie alle gekannt.«
    »Wie heißt du?«
    »Meredith Wheeler. Sie erinnern sich bestimmt nicht an mich. Ich war nur eine kleine Knalltüte, als Sie schon auf die Highschool gingen.«
    John Keenes Freundin. Dank Mutters Freundinnen sagte mir der Name etwas, doch ihr Gesicht wirkte fremd. Klar, sie war erst sechs oder sieben gewesen, als ich von hier wegging. Dennoch überraschte es mich nicht, dass sie mich kannte. Die Mädchen in Wind Gap beobachteten die Älteren wie besessen: Wer ging mit den Footballstars, wer war die Königin beim Schulball, wer hatte das Sagen? Man tauschte seine Favoritinnen wie Sammelkarten. Ich erinnere mich noch an CeeCee Wyatt. Sie war Ballkönigin der Calhoon High, als ich ein kleines Mädchen war. Einmal kaufte ich mir elf rosa Lippenstifte, um genau den Farbton zu finden, den sie trug, als sie mich eines Morgens gegrüßt hatte.
    »Ich kann mich an dich erinnern«, sagte ich. »Kaum zu glauben, dass du schon Auto fährst.«
    Sie lachte, erfreut über meine Lüge.
    »Und Sie sind jetzt Reporterin?«
    »Ja, in Chicago.«
    »Ich sorge dafür, dass John mit Ihnen redet. Wir sehen uns.«
    Meredith schoss davon. Bestimmt war sie zufrieden mit sich –
wir sehen uns
 –, legte gerade neuen Lipgloss auf und verschwendete keinen Gedanken an die Zehnjährige, um die es in dem Gespräch gehen würde.
    Ohne mich namentlich zu melden, rief ich im Eisenwarenladen an, neben dem man Natalies Leiche gefunden hatte, und plauderte drauflos. Ich wolle mein Bad renovieren und neue Fliesen kaufen. Es war nicht weiter schwer, das Gespräch in die richtige Richtung zu lenken. Vermutlich würden zurzeit viele Leute über neue Sicherungssysteme für ihr Haus nachdenken.
    »Das ist in der Tat so, Ma’am. Wir verzeichnen einen echten Ansturm auf Türketten und Doppelriegel«, erwiderte die brummige Stimme.
    »Ehrlich? Wie viele haben Sie schon verkauft?«
    »Etwa drei Dutzend, würde ich sagen.«
    »An Familien mit Kindern?«
    »Sicher. Die haben doch den meisten Grund zur Sorge, oder? Furchtbare Sache. Wir möchten

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