Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)
Ihre Augen waren voller Tränen, ihre Stirn schweißnass. Die Frage schien an niemand Bestimmten gerichtet.
»Damon hat uns mitgenommen«, zirpte Amma und hüpfte auf Zehenspitzen. »Ich kann’s nicht glauben, dass du wirklich gekommen bist. Und dass
er
sich herwagt.«
»Mein Gott, was bist du bloß für ein Miststück. Du hast doch keine Ahnung, du Junkieficker«, sagte Meredith. Ihre Stimme bebte wie ein Kreisel, der sich der Tischkante nähert.
»Na ja, wenn ich mir ansehe, wen du so fickst«, sagte Amma. »Hiii, Mörder.« Sie winkte John zu, der sie jetzt erst zu bemerken schien und plötzlich so aussah, als hätte man ihm einen Schlag versetzt.
Er wollte gerade herüberkommen, als J.C. aus einem Nebenzimmer auftauchte und ihn beiseitenahm. Zwei schlaksige Jungs, die über den Tod und über Partys plauderten. Alles flüsterte nur noch und glotzte. J.C. klopfte John auf den Rücken, schob ihn aber unmissverständlich zur Tür. Er nickte Meredith zu und ging hinaus. Sie folgte ihm rasch mit gesenktem Kopf, die Hände vors Gesicht geschlagen. Kurz bevor er an der Tür war, rief ein Junge mit Quäkstimme: »Mädchenmörder!« Nervöses Gelächter, Augenverdrehen. Meredith kreischte wild auf, schoss herum und brüllte: »Ich scheiß auf euch!« Dann knallte sie die Tür zu.
Derselbe Junge äffte sie für sein Publikum nach, schwang die Hüften, lieferte ein verschämtes, mädchenhaftes
Ich scheiß auf euch.
J.C. stellte die Musik laut, und eine elektronisch aufgemotzte Teeniestimme jaulte etwas von Oralsex.
Am liebsten wäre ich John nachgegangen und hätte ihn in den Arm genommen. Er hatte furchtbar einsam gewirkt, und von Meredith war kaum Trost zu erwarten. Was würde er tun, ganz allein im verlassenen Kutscherhaus? Doch bevor ich hinauslaufen konnte, schnappte Amma meinen Arm und schleppte mich nach oben in den » VIP -Salon«. Dort durchwühlten sie, die Blondinen und zwei Jungs von der Highschool mit rasierten Köpfen, den Kleiderschrank von J.C.s Mutter und rissen die schönsten Stücke von den Bügeln, um sich ein Nest zu bauen. Dann setzten sie sich aufs Bett, umgeben von Satin und Pelzen. Amma zog mich neben sich und zauberte eine Ecstasy-Pille aus ihrem BH .
»Schon mal Zungenroulette gespielt?«, fragte sie. Ich schüttelte den Kopf. »Das X wandert von einer Zunge zur nächsten, und der, bei dem es sich auflöst, ist der glückliche Gewinner. Ist Damons beste Ware, also haben wir alle was davon.«
»Nein danke, mir geht’s auch so gut.« Fast hätte ich mitgemacht, doch die entsetzten Blicke der Jungen ließen ahnen, dass ich sie an ihre Mütter erinnerte.
»Ach, komm schon, Camille, ich verrat’s auch keinem«, jammerte Amma und zupfte an einem Fingernagel. »Mit mir zusammen. Schwestern, okay?«
»Bitte, Camille!«, stöhnten Kylie und Kelsey, während Jodes schweigend zusah.
Ich weiß nicht, was den Ausschlag gab – OxyContin oder Alkohol, Sex oder das Gewitter, das noch nass vorm Fenster hing, meine zerstörte Haut oder die lästerlichen Gedanken über meine Mutter –, doch plötzlich ließ ich mich von Amma auf die Wange küssen. Nickte zustimmend, und schon traf sich Kylies Zunge mit der eines Jungen, der die Tablette nervös an Kelsey weitergab, die den zweiten Jungen ableckte, bevor dessen große Wolfszunge Jodes abschlabberte, die zögernd mit der Zungenspitze wackelte, als sie sich zu Amma drehte. Amma nahm die Tablette auf und schob mit ihrer kleinen, heißen Zunge das X in meinen Mund. Umschlang mich und presste die Tablette auf meine Zunge, bis ich spürte, wie sie zerbröckelte. Sich auflöste wie Zuckerwatte.
»Viel Wasser trinken«, flüsterte sie mir zu, kicherte laut und ließ sich rücklings auf einen Nerzmantel fallen.
»Scheiße, Amma, wir hatten noch nicht mal richtig angefangen«, meckerte der Wolfsjunge mit roten Wangen.
»Camille ist mein Gast«, spottete Amma. »Außerdem kann sie ein bisschen Sonnenschein gebrauchen. Hat ein beschissenes Leben gehabt. Wir haben eine tote Schwester, genau wie John Keene. Sie ist nie drüber weggekommen.« Sie erzählte das so, als wollte sie bei Gästen auf einer Cocktailparty das Eis brechen.
David hat ein Textilgeschäft, James hat gerade einen Auftrag in Frankreich erledigt, und, ach ja, Camille ist nie über den Tod ihrer Schwester hinweggekommen. Noch etwas zu trinken?
»Ich muss gehen«, sagte ich und stand so abrupt auf, dass ich ein Top aus rotem Satin mitriss. Mir blieb etwa eine Viertelstunde, bevor das Zeug
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