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Cry - Meine Rache Ist Dein Tod

Cry - Meine Rache Ist Dein Tod

Titel: Cry - Meine Rache Ist Dein Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
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Ohren auch anstrengte, sie sah niemanden, hörte keine Schritte auf dem Pflaster, nur das Regenwasser, das noch immer von den Blättern der Büsche und Bäume tropfte.
    Schaudernd schob sie die Zeitungsausschnitte zusammen und verschloss den Wagen mit der Fernbedienung. Ein Piepsen ertönte, die Parkleuchten blitzten kurz auf, und der Camry war sicher verriegelt. Eve sah sich noch einmal rasch um, und ihre Nackenhärchen richteten sich auf. Wer hatte es getan? Wer war ihr gefolgt?
    Hier schien die Luft rein zu sein. Durch die Fensterläden der Nachbarhäuser drang warmes Licht. Die Nacht war still, nur wenige Autos fuhren vorüber, und der Wind flüsterte leise in den Pecanbäumen, Kiefern und Immergrünen Eichen im Garten. Dennoch, der Schein konnte trügen. Nervös eilte sie ins Haus und wurde erst ruhiger, als der Riegel hinter ihr mit einem Klack eingerastet war.
    Sie legte den Umschlag und die Zeitungsausschnitte auf den Küchentisch, wo sie sie zunächst aus einiger Entfernung betrachtete. Es waren an die dreißig Artikel, alle säuberlich mit der Zackenschere ausgeschnitten, und alle bezogen sich auf Faith Chastains tragischen Tod.
    Wer hatte ihr diese Artikel zukommen lassen?
    Warum?
    Was hatte diese Frau, die seit fast zwanzig Jahren tot war, mit ihr zu tun?
    Eve führte sich vor Augen, was sie über den Vorfall von damals wusste.
Faith Chastain war im Our Lady of Virtues gestorben. In der psychiatrischen Klinik, in der Eves Vater praktiziert hatte – dem massiven Backsteinbau, in dem sie als Kind gespielt, sich vor den Nonnen versteckt und die Patienten ausspioniert hatte.
    Eve kämpfte eine nagende Angst nieder.
Hattest du nicht schon länger geplant, die Anstalt noch einmal zu besuchen?, ging es ihr durch den Kopf. Durch die Flure und Zimmer zu wandern, in denen du Zeugin der Grausamkeiten und Misshandlungen wurdest, mit denen man früher die Insassen zu »therapieren« glaubte? Warst du nicht fasziniert von der alten Klinik? Ist sie nicht von größter Bedeutung für deine Forschungen? Wolltest du nicht den Einsatz körperlicher Fixierung, der im Our Lady of Virtues an der Tagesordnung war, mit dem moderner Psychopharmaka vergleichen? Die Frage ist: Wer kann davon wissen? Warum interessiert er sich dafür? Was will er dir sagen?
    Eve schluckte krampfhaft, und ein leichter Schwindel überkam sie. Falls ihre Vermutung zutraf und jemand sie entweder durch Einschüchterung an ihren Recherchen hindern wollte oder – was? Sie warnen wollte? –, warum konzentrierte sich derjenige dann ausgerechnet auf den Fall von Faith Chastain? Einer Frau, an die sie sich nicht erinnerte …
    Oder doch?
    War Faith Chastain eine der Patientinnen gewesen, die Eve als Kind beobachtet hatte? Ihr Herz schlug ein wenig schneller, als sie beschämt daran zurückdachte, wie sie ihren Vater belogen hatte: Sie hatte behauptet, sie wolle draußen bei der Schaukel spielen oder einen Spaziergang im Wald unternehmen oder zu den Stallungen gehen, in denen noch ein paar Pferde gehalten wurden. Dabei war sie in Wahrheit leise wie ein Gespenst und alle Regeln missachtend durch das Krankenhaus gestreift, durch Zimmer und Flure geschlichen, die eigentlich tabu waren.
    Es war grauenerregend, aber auch faszinierend gewesen, Patienten in Zwangsjacken oder anderen Fixierungen zu sehen. Sie wusste, dass es nicht richtig war, doch manchmal jagten die Patienten ihr Angst ein. Manche jedenfalls – vielleicht solche, die einer Lobotomie unterzogen oder mit Elektroschocks behandelt worden waren.
    Bei der Erinnerung an ihre kindlichen Ängste röteten sich ihre Wangen noch nach all den Jahren vor Scham. Die Patienten, die sie so faszinierten, denen sie aus dem Weg ging oder die ihr Angst einjagten, waren krank gewesen und hatten mit unsichtbaren Dämonen gekämpft. Natürlich hatte sie damals nichts von Psychosen und anderen psychischen Erkrankungen verstanden.
    Sie hatte so wenig gewusst. War, wenn nicht gleichgültig, so doch zumindest hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt gewesen. Ihr heutiges Interesse für Psychologie ging über das rein Fachliche hinaus; es war eine Art Sühne. Durch ihre Verwundung und Roys Tod hatte sie das Frühjahrssemester versäumt, doch sie hoffte, ihr Studium im Herbst fortsetzen zu können.
    Eve riss sich aus ihren Gedanken und wandte sich wieder den Zeitungsausschnitten zu. Jemand schien also von ihrer Verbindung zu der alten Klinik zu wissen. Aber wieso interessierte er sich dafür?
    Entschlossen, der Sache

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