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Cry - Meine Rache Ist Dein Tod

Cry - Meine Rache Ist Dein Tod

Titel: Cry - Meine Rache Ist Dein Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
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stehende Zypresse mit gespaltenem Stamm entdeckte. Weiß ausgeblichen stand sie da wie ein geisterhafter Wachposten. Cole schickte ein stummes Stoßgebet zum Himmel, dass im vergangenen Jahr niemand dort gewesen sein möge. Er fand den Weg hinüber und suchte an der dem Wasser zugewandten Seite des Baumstamms nach einem Loch zwischen den kahlen Ästen. Als er es gefunden hatte, zog er zuerst dicke Handschuhe an, dann leuchtete er mit der Taschenlampe in die Öffnung, die kaum größer war als eine Männerhand. Doch er konnte nichts erkennen. Cole ging vor dem Baumstamm in die Hocke, nahm einen langen Schraubenzieher aus seiner Werkzeugtasche und stocherte damit in dem Loch herum, um festzustellen, ob sich irgendein Tier darin eingenistet hatte. Schließlich wollte er keine schlafende Mokassinschlange aufstören.
    In dem Loch regte sich nichts. Dennoch schlug ihm das Herz bis zum Hals. Behutsam schob er die Hand in das Loch und kratzte vorsichtig die Erde fort, die er hineingefüllt hatte, bis er durch die Handschuhe hindurch etwas ertastete. »Bingo«, flüsterte er und grub hastig weiter, bis er schließlich eine Gürteltasche aus Nylon herausziehen konnte.
    Ohne sie zu öffnen, verstaute er sie in seiner Werkzeugtasche. Dann machte er sich rasch, im Laufschritt, auf den Rückweg, zwischen niedrigem Gestrüpp und Büschen hindurch. Er hörte nichts als seinen eigenen stoßweisen Atem und das Pochen seines Herzens. Wenn ihn jetzt jemand entdeckte – wie sollte er erklären, weshalb er sich hier herumtrieb?
    Als er den Zaun beinahe erreicht hatte, schaltete er die Taschenlampe aus. Er kletterte über den alten Maschendraht und landete weich auf der anderen Seite, etwa zwanzig Meter von seinem Jeep entfernt. Eine Weile lang blieb er reglos stehen, lauschte mit angehaltenem Atem und hielt Ausschau, um sich zu vergewissern, dass niemand in der Nähe war.
    Sekunden verstrichen.
    Vor Nervosität rann ihm der Schweiß in den Kragen.
    Irgendwo in östlicher Richtung schrie leise eine Eule, doch das war das einzige Lebenszeichen in der Umgebung.
    Los. Jetzt oder nie.
    Behutsam, alle Sinne aufs Äußerste geschärft, bewegte er sich ein wenig vorwärts. Als noch immer alles still blieb, ging er zügig weiter zu seinem Fahrzeug, schloss es auf und warf seine Werkzeugtasche samt Inhalt hinein.
    Vorsichtig setzte er rückwärts aus der Zufahrt, bog wieder auf die Landstraße ein und machte sich auf den Rückweg in die Stadt. Während der Fahrt warf er immer wieder verstohlene Blicke auf die Tasche, die auf dem Beifahrersitz lag. Erst als er etwa fünf Meilen weit gefahren war, öffnete er den Reißverschluss der Gürteltasche und griff hinein. Seine Finger ertasteten Plastik. Er schaltete die Innenraumbeleuchtung ein und warf einen Blick auf das Geld. Fünfzehn fest gewickelte Rollen, jede im Wert von tausend Dollar, in einem verschließbaren Plastikbeutel. Fünfzehn Riesen. Keine gewaltige Summe, aber für den Anfang genug.
    Blutgeld,
dachte er, doch er scherte sich nicht darum.
     
    Montoya warf mit finsterer Miene seine Dienstmarke auf den Tisch. Manchmal war er seinen Job gründlich leid. Er ging in die Küche, nahm ein Bier aus dem Kühlschrank und öffnete die Flasche. Im Raum herrschte Chaos, denn Montoya steckte mitten in den Umbauarbeiten. Wasserleitungen und Abflüsse waren teilweise außer Betrieb, und die Wand, die seine vordere Reihenhaushälfte von der angrenzenden trennte, war bereits eingerissen. Als Wärmeisolation war eine Plastikplane zwischen den beiden identischen Hälften gespannt, die zu einem einzigen Wohnbereich verbunden werden sollten. Die Küche würde dann doppelt so groß sein wie bisher, und sie würden zwei Bäder und ein zusätzliches Schlafzimmer haben.
    Wenn erst der Umbau abgeschlossen war.
    Nachdem Montoya ein paar Schlucke getrunken hatte, ließ er sich in einem Sessel nieder und tätschelte geistesabwesend den Kopf des großen Hundes. Hershey, die schokoladenbraune Labradorhündin seiner Freundin, leckte ihm die Hand. »Braves Mädchen«, brummte Montoya, ohne den Blick von seiner Kopie der Akte abzuwenden, die er über den Mord an Royal Kajak angelegt hatte.
    Etwas musste ihnen entgangen sein, irgendein Indiz, das Cole Dennis mit diesem Fall in Verbindung brachte. Besser gesagt: ein Indiz, das bei den Ermittlungen nicht vernichtet worden oder verlorengegangen war. Die Polizei hatte einen Fetzen schwarzen Fleece-Stoff sichergestellt, der zu einem Loch in einem von Cole Dennis’ Pullovern

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