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Cry - Meine Rache Ist Dein Tod

Cry - Meine Rache Ist Dein Tod

Titel: Cry - Meine Rache Ist Dein Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
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den allgegenwärtigen Geruch nach Antiseptikum und Reinigungsmittel mit Kiefernduft. Die Bodendielen knarrten, als Eve im schwachen Schein der Taschenlampe weiterging. Sie gelangte zu Zimmer 1 , dem ehemaligen Büro ihres Vaters, einer kleinen, fensterlosen Zelle, in die nur durch eine Scheibe über der Tür ein wenig Tageslicht aus dem Flur hereindrang.
    Der Raum war leer, der Holzfußboden dort, wo Schreibtisch, Aktenschrank und Bücherregal gestanden hatten, verfärbt. Die Wände waren dunkel von Schmutz, mit helleren Flecken an den Stellen, wo Bilder und Diplome gehangen hatten.
    Die einzigen Lebewesen in diesem Raum waren ein paar Spinnen.
    Was hatte sie erwartet?
    Eve sah ihren Vater im Geiste vor sich, wie sie ihn sooft angetroffen hatte: an seinem großen Schreibtisch sitzend, über ein Ärzteblatt oder eine Patientenkarte gebeugt. Eine Schreibtischlampe warf einen Lichtkegel. An den glatt verputzten Wänden stellte er stolz seine Diplome aus. Auf dem Bücherregal stand ein zweiteiliger Rahmen mit einem Foto von Eve und einem von ihrer Mutter. Abgesehen von einem Familienporträt gab es keine Fotos von Eves Brüdern.
    Und jetzt war ihr Vater tot.
    Ermordet.
    Wie Faith Chastain.
    Wie Roy Kajak.
    Und jemand hatte ihm eine Zahl auf die Stirn tätowiert.
    Mit Gänsehaut auf den Armen erkundete Eve eilig das übrige Erdgeschoss, leuchtete mit ihrer Taschenlampe in die Ecken des Salons, des Speisesaals, der Küche. Dann rüttelte sie an der Tür zum Keller.
    Sie war abgeschlossen.
    Auch dort passte keiner ihrer Schlüssel, worüber Eve eine gewisse Erleichterung empfand. Seit ihre Brüder sie einmal bei ihrer Tante, die auf dem Land wohnte, im Keller eingesperrt und stundenlang allein gelassen hatten, litt sie unter einer leichten Klaustrophobie. Damals war sie fünf Jahre alt gewesen, und seit jenem traumatischen Erlebnis fühlte sie sich in dunklen, feuchten Räumen unter der Erde ausgesprochen unwohl. Damals hatte sie monatelang nur bei Licht schlafen können, und oft hatten sie grausige Träume von tröpfelndem Wasser, kleinen Knopfaugen, die sie aus dunklen Ecken heraus anstarrten, und Spinnen mit speichelnden Fresswerkzeugen gequält. Wenn sie schreiend aufwachte, war ihre Mutter meistens zu ihr ins Bett gekrochen, hatte ihr beruhigend zugeredet und sie im Arm gehalten, bis sie endlich wieder einschlafen konnte.
    Ja, ihre Brüder waren schon zwei Schätzchen, dachte sie, ging zurück zur Treppe und stieg hinauf in den ersten Stock, wo sie leere Patientenzimmer, Bäder und Wandschränke vorfand. Wie im Erdgeschoss waren auch hier der Boden und die Wände verschrammt, und helle Flecken markierten die Stellen, wo Kunstgegenstände gestanden und Bilder gehangen hatten.
    Im zweiten Stock ging Eve zielstrebig zu Zimmer 307 , denn sie erinnerte sich, dass das Faith Chastains Zimmernummer gewesen war. Der Raum unterschied sich von den meisten anderen durch eine höhere Decke, einen Kamin und ein hohes Bogenfenster – ebenjenes Fenster, durch das sie gestürzt war. An den Wänden waren die Umrisse von Bildern und einem Kruzifix zu erkennen.
    Hatte hier ihre Mutter gelebt?
    Eve biss sich auf die Lippe und versuchte, die Erinnerung an Faith Chastain heraufzubeschwören. Sie fand nur flüchtige Bilder von einer gehetzt wirkenden, zierlichen Frau, die in ihren lichteren Momenten lächeln konnte. Die hellbraunen Augen waren geheimnisvoll und intelligent.
    Der Fußboden war in der Mitte dunkel verfärbt. Eve wich zurück – war das ein Blutfleck?
    Deine Phantasie geht mit dir durch,
dachte sie.
Du lässt dich von diesem schaurigen Ort mit seiner düsteren Geschichte ins Bockshorn jagen.
    Eve ging weiter, leuchtete mit der Taschenlampe durch jede Tür und fand nichts als leere Räume. Die Bäder und Duschen waren schmutzig und voller Ungeziefer.
    Am Ende des Ganges befand sich ein leerer Wäscheraum und gegenüber eine weitere Kammer, von der aus eine Tür zur Dachbodentreppe führte. Sie war abgeschlossen, doch diesmal hatte Eve gleich mit dem ersten ihrer drei Schlüssel Erfolg. Das Schloss klickte, die Tür öffnete sich, und eine steile Wendeltreppe kam zum Vorschein, die um einen Kamin herum auf einen langgestreckten, schmalen Bodenraum mit unverkleideten Dachbalken und einem Fußboden aus rohen Holzbohlen führte.
    Hier hatte sie sich als Kind versteckt. Sie und Roy waren die Wendeltreppe hinaufgeschlichen und hatten stundenlang gespielt oder die Patienten und Ärzte ausspioniert. Eve wand sich innerlich, als sie

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