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Cryer's Cross

Cryer's Cross

Titel: Cryer's Cross Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baumhaus
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vier Wochen Gips, vielleicht sechs. Allerdings juckt mein Fuß wie verrückt. Und die Schulter … ich habe sie mir schon einmal ausgekugelt, bei einem Fußballturnier in Tuscon. Dieses Mal ist sie sofort wieder zurückgesprungen und die Schwellung geht auch schon zurück. Aber ein paar Minuten lang hatte ich Schmerzen wie Sau!«
    »Marlena!«, rügt Hector, zieht die Stirn in Falten und schüttelt leicht den Kopf, doch selbst, wenn er es wollte, könnte er nicht böse gucken.
    »Tut mir leid, Abuelo , das sind die Schmerzmittel.« Marlena schaut ihn schuldbewusst an.
    Hector schmunzelt. »Und was bringt dich sonst zum Fluchen? Du bist wohl immer auf Schmerzmittel.«
    »Das war ja nicht einmal ein richtiges Schimpfwort!«
    »Es ist die Absicht, die es schlimm klingen lässt, nicht das Wort«, erklärt Hector. »Aber ja, ich stimme dir zu. Für dieses Mal kommst du davon.« Dann streckt er die Hand nach Kendall aus. »Wie geht es dir heute Abend, Kendall?«
    Kendall geht zu ihm und nimmt seine Hand.
    »Mir geht es gut«, entgegnet sie achselzuckend. »Zumindest habe ich keine Schmerzen wie Marlena.« Oder wie Nico. Vielleicht hat er auch Schmerzen, wenn er überhaupt noch lebt. Sie wirft einen Blick aus dem Panoramafenster auf Jacián, der immer noch Fußball spielt. Er trifft den Torpfosten, und der Ball prallt zurück. Kendall beobachtet, wie Jacián enttäuscht aufschreit, kann ihn aber nicht hören. Sie nickt Richtung Fenster. »Macht er das oft?«
    »Jeden Abend mit Marlena«, sagt Hector. »Er träumt davon, Profi zu werden.«
    Marlena richtet sich auf und folgt Kendalls Blick. »Er ist so allein da draußen. Er macht sich Sorgen.«
    »Um was?«, will Kendall wissen.
    »Das Team.«
    »Oh ja. Ich auch. Wir haben … haben Nico verloren.« Abrupt wendet sie sich zu Marlena um. »Oh Mist, und dich auch. Ich …« Sie überlegt einen Augenblick, doch dann wird es ihr klar. Sie haben nur noch sechs Spieler. Ihr sowieso schon zu kleines Team ist jetzt überhaupt kein Team mehr.
    Marlena presst die Lippen aufeinander und sieht aus, als wolle sie weinen. »Ich habe gehört, wie Jacián heute Abend nach dem Essen mit dem Trainer telefoniert hat. Er hat versucht, ihn nicht anzuschreien. Dann ist er hinausgestürmt. Das war vor Stunden.« Ihre Stimme zittert. »Ich fühle mich so elend.«
    »Nun, es gibt keine Regel, die uns verbietet zu spielen«, stellt Kendall fest, aber der Mut verlässt sie. »Nur gesunder Menschenverstand. Acht waren schon zu wenige. Sechs …« Sie bricht ab. Sie hat sich darauf verlassen, dass der Fußball sie aus ihrer Trauer herausholen könne. Wenn sie nicht tanzen oder schauspielern kann, ist Fußball ihre Rettung. Es ist das Einzige, das ihr Gehirn ebenfalls genug beschäftigt, um die wirbelnden Gedanken zurückzudrängen.
    »Vielleicht können wir einen von den Neuntklässlern überreden, mitzumachen«, überlegt sie, aber sie weiß, dass der Trainer schon jeden auch nur halbwegs in Frage kommenden Schüler angesprochen hat, um wenigstens die acht zusammenzubekommen, die sie haben – oder zumindest bis vor einer Woche hatten.
    »Du weißt, dass da niemand ist«, erwidert Marlena traurig. »Der Trainer ist am Ende.«
    Schweigend sitzen sie zusammen und trauern aus unterschiedlichen Gründen.
    »Wie geht es Nicos Eltern?«, fragt Marlena schließlich.
    »Vor mir tun sie so, als ginge es ihnen gut, als wollten sie meinetwegen fröhlich sein. Aber Mum sagt, dass sie die Hölle durchmachen. Er ist ihr jüngstes Kind und das einzige, das noch hier wohnt. Alle anderen sind weggezogen.«
    »Das ist so schrecklich«, sagt Marlena.
    Sie wissen beide nicht recht, was sie sagen sollen.
    Hector unterbricht ihr Schweigen. »Vielleicht erzählst du uns etwas über Nico. Geschichten helfen immer. Erzähl Marlena von der Zeit, als du noch kleiner warst.«
    Kendall seufzt, aber sie tut dem alten Mann den Gefallen.
    »Okay.« Sie überlegt kurz. »Na ja, wir sind seit meiner Geburt Nachbarn. Nico ist zwei Monate älter als ich. Wir sind zusammen aufgewachsen, Fahrrad gefahren und haben uns täglich gegenseitig besucht. Wir leben beide auf einer Farm, und unsere Häuser liegen ein ganzes Stück von der Straße weg, wie eures auch. Ich hatte immer das Gefühl, es sei ein richtig weiter Weg bis zu Nico, deshalb musste ich immer ein Lunchpaket dabeihaben.« Sie muss ein wenig lächeln. »Und dann hatte ich immer ein schlechtes Gewissen und habe auch für Nico etwas zu essen eingepackt. Dann bin ich die Auffahrt

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