Cryer's Cross
Gemurmel laut.
»Ruhe, bitte!«, mahnt der Sheriff. »Das ist sehr wichtig. Wir wollen nicht noch einen von euch verlieren. Und bitte glaubt mir, auch wenn ich die meisten von euch Teenagern seit dem Babyalter kenne, werde ich nicht zögern, euch zu verhaften, wenn ich sehe, dass ihr alleine unterwegs seid. Wir wissen nicht, mit was wir es zu tun haben, und dürfen nicht nachlässig sein, sondern müssen mit der entsprechenden Vorsicht an die Sache herangehen.«
Er macht eine Pause.
»Lasst uns mit der Suche beginnen. Bitte findet euch in den gleichen Gruppen zusammen wie im Frühling und wartet auf Instruktionen. Wenn ihr eine Gruppe braucht, sagt mir Bescheid. Bleibt zusammen und kommt zusammen zurück. Leute, wenn ihr heute zurückkommt, kommt ihr zu mir, dann habe ich die Partnerliste fertig.«
Kendall sieht Mrs Cruz an, die sich an ihrem Mann festhält. Es hört sich an, als erwarte der Sheriff nicht, dass sie Nico heute finden, so wie er diese Partnersache plant. Es ist schrecklich.
Der Sheriff lässt das Megafon sinken und setzt ein entschlossenes Gesicht auf. Dann nickt er, und die Leute versammeln sich in Gruppen am Straßenrand.
Kendall bleibt auf Bitten ihrer Mutter dicht bei ihren Eltern. Das ist irgendwie beruhigend, da Kendall keine Gruppe mehr hat. Das letzte Mal hat sie mit Nico zusammen gesucht.
Die Stimmung ist gedämpft und viel zu vertraut, als die Gruppen ihre Anweisungen erhalten und sich wieder aufmachen, auch die hintersten Winkel des Tals zu durchsuchen. Letztes Mal war gerade alles frisch gepflanzt. Diesmal sind die Kartoffelfelder saftig und grün, reif für die Ernte, und die Blätter an den Bäumen beginnen gerade ihre Farbe zu verändern. Kendall fragt sich, wie viele Tage ihre Eltern wohl suchen können, wenn doch im Augenblick so viel auf der Farm zu tun ist. Aber sie ist zu müde, um zu fragen. Sie kann nur resigniert Schritte zählen und Reihen und Bäume und in ihrem Kopf irre Sätze wiederholen, während sie die Gemüse- und Getreidefelder absucht und sich dann den Weiden und Wäldern widmet. Auf der Suche nach der Leiche ihres Freundes. Hin- und hergerissen zwischen der Hoffnung, ihn zu finden, und der, ihn nicht zu finden.
Sie findet ihn nicht. Und auch kein anderer.
Als sie in die Stadt zurückkehren, spricht Sheriff Greenwood gerade mit Hector, Jacián, Marlena und offenbar mit ihren Eltern.
Kendall bleibt stehen. Sie will Jacián im Moment nicht sehen. Sie weiß immer noch nicht, was sie von ihm halten soll. Auf jeden Fall will sie nicht, dass er etwas über Nico zu ihr sagt. Wieder treten ihr Tränen in die Augen, als sie sich vorstellt, ohne Nico in die Schule gehen zu müssen.
»Hör auf«, befiehlt sie sich selbst. »Er wird wieder auftauchen.«
Aber dieses Mal scheint alles so vergeblich. Bei Tiffany hatten alle noch Hoffnung. Jetzt, wo das Verschwinden zur Epidemie zu werden scheint, ist die Hoffnung verschwunden.
»Dad?«, sagt Kendall. »Wir müssen ihn finden. Ich will weiter suchen. Es ist noch nicht dunkel.«
Mr Fletcher schaut auf die Uhr. Dann sieht er Mrs Fletcher an.
»Ich mache noch eine Runde mit«, erklärt Mrs Fletcher. »Geh du doch schon mal zurück zur Farm, Nathan. Kendall und ich gehen mit jemand anderem mit.«
Kendall lächelt unter Tränen.
»Danke, Mum.«
Sie schließen sich einer anderen Gruppe an.
Als Kendall und ihre Mum nach Einbruch der Dunkelheit zurückkehren, suchen sie wieder Sheriff Greenwood auf. Erschöpft geht Mrs Fletcher ins Restaurant, um Kendalls Dad anzurufen und zu bitten, sie abzuholen, während Kendall zu Sheriff Greenwood geht.
»Ich brauche meine Schulpartner-Zuweisung«, erklärt sie. Sie ist so müde, dass sie die Tränen kaum zurückhalten kann.
Sheriff Greenwood sieht sie an und greift nach seinem Klemmbrett.
»Du bist da draußen ganz allein«, überlegt er.
»Ach, echt?« Kendall kann sich den Sarkasmus nicht verkneifen. Sie ist immer noch sauer wegen der gestrigen Befragung, auch wenn der Sheriff den netten Cop gespielt hat.
»Eli trifft sich mit denen vom Nordende«, murmelt er, »Travis ist im Osten, aber einer von euch müsste allein gehen, bis ihr … hmm.«
Kendall kratzt mit der Stiefelspitze in der Erde, während der Sheriff seine Liste umstellt.
In einer Stadt ohne große Straßenbeleuchtung kommt die Dunkelheit sehr schnell. Die Sterne blitzen. Sie hört die Quads, noch bevor sie sie sehen kann. Es sind Marlena und Jacián.
»Ah, das ist doch eine Idee«, meint Sheriff Greenwood, als
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