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Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)

Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)

Titel: Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vitali Sertakov
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aufgeben, weil die Wipper ihn viel zu oft auf lange Expeditionen mitnahmen. Zu seiner Überraschung hatte man ihm nicht nur ein Haus zur Verfügung gestellt, sondern gleich drei, aber die wenigen Nächte, die er im Dorf verbrachte, teilte er mit Nadja, nicht mit den beiden anderen Frauen, die in Unterkunft zwei und drei lebten. Bis zur dreißigsten Markierung hatte er noch Fluchtpläne geschmiedet, aber bei der zweiundvierzigsten hatte er eingesehen, dass er nirgends hingehen würde, ehe er nicht sein zukünftiges Kind in den Armen gehalten hatte.
    Denn Nadja van Gogh war schwanger. Und auch die Nebenfrauen trugen ein Kind von ihm unterm Herzen. Artur hatte sie erst hier im Wald kennengelernt, beide stammten aus einem Dorf tief im Ural. Im Übrigen war er der Einzige, der sich bei diesen Ausleihaktionen schämte und unwohl fühlte. Zumindest deutete Nadja mit nichts an, dass sie eifersüchtig war. Am Ende beruhigte sich der zukünftige dreifache Vater damit, dass auch Nadja sich nach dem zweiten Kind für ein paar Nächte einen anderen Mann suchen musste. Das war zwar irgendwie primitiv, hier aber völlig normal, denn die Wipperinnen litten genau wie die Städterinnen unter Unfruchtbarkeit.
    Mit der Zeit stumpfte Arturs Bewusstsein immer mehr ab, er meinte, eine schalldichte Blase umgebe ihn. Woche um Woche verging, Langeweile kam allerdings nie auf, im Gegenteil, er hatte selten mal eine ruhige Minute. Allmählich vergaß er sogar Moskau und das dortige Institut, fand sich mit seiner Gefangenschaft, der schweren Arbeit und dem zermürbenden Drill ab: Das Ohr an den Boden geschmiegt musste er lernen, die Tiere des Waldes an ihrem Gang zu erkennen. Von ihm wurde verlangt, die verseuchten Industriezonen an ihrem Geruch auszumachen und in einem sumpfigen Erdhügel die Stellen zu bestimmen, an denen Berder ein Quecksilberthermometer versteckt hatte. Allein Letzteres hatte ihn eine Woche gekostet.
    Drei Monate stöhnte und jammerte er, dann hatte er sich daran gewöhnt, barfuß zu laufen. Die nächsten Tränen folgten, als er barfuß durch den Schnee waten musste. Zweimal wäre er beinahe erfroren, als Berder von ihm verlangte, in einer Schneewehe zu übernachten. Bis er es schaffte, seine Körpertemperatur zu regulieren, hatte er sich nur hüpfend vorwärtsbewegt und alle paar Minuten seine Zehen massiert. Er wurde achtmal gebissen, bevor er eine gemeinsame Sprache mit den Hunden des Dorfs fand. Danach brachte Berder ihn zusammen mit anderen Schülern, reinsten Teenagern, ins nächste Dorf, um sie dort mit den Kötern allein zu lassen.
    Als er endlich in aller Ruhe an jeden x-beliebigen Vierbeiner gelehnt einschlafen konnte und sich für den größten Kynologen aller Zeiten und Völker hielt, ging Berder zu Wölfen über. Zunächst glücklicherweise nur zu den Wolfsjungen. Doch auch damit nicht genug: In der nächsten Phase seiner Ausbildung durfte Artur einen frisch geschlüpften geflügelten Drachen abrichten.
    Abends stand Messerwerfen auf dem Programm, denn bei Tageslicht, so behauptete Berder, treffe jeder Idiot zwei in die Luft geworfene Tonscheiben. Er selbst brachte es sogar auf sechs auf einen Streich. Nachts suchten sie nach verlassenen Dörfern und Brunnen mit sauberem Wasser, eine extrem schwierige Aufgabe, da schadstofffreie Gegenden kaum rochen. Artur musste jedoch lernen, saubere Orte von den Quellen schädlicher Chemie zu unterscheiden, weil er erst dann die nächste Stufe erklimmen konnte: das Aufspüren Dunkler Male.
    Er rief sich immer wieder in Erinnerung, dass niemand ihn je würde zwingen können, Unschuldige zu töten, dass es aber durchaus nicht verwerflich sei, die Gesellschaft dieser merkwürdigen, legendenumwobenen Menschen des Urals gründlich zu studieren. Niemand verlangte von ihm, einen Treueeid zu leisten, wie Pap Rubens es getan hatte, niemand langweilte ihn mit Politschulungen. Dazu fehlte allen die Zeit.
    Wie viele Kilometer sie eigentlich von Scharja bis zum Dorf zurückgelegt hatten, war ihm ebenfalls schleierhaft. Irgendwann hatten sie jedenfalls Gemüsegärten und bestellte Felder erreicht, hatten sie die ersten Rauchfahnen und solide, aus Balken gezimmerte Häuser gesehen. Das Dorf lag im Wald, geschützt von einem derart dichten Blätterdach, dass selbst bei starkem Regen kein Tropfen auf die Erde fiel. Die Zahl der Menschen, die in ihm lebten, war Artur nach wie vor ein Rätsel, denn ständig tauchten irgendwelche Mütter und Kinder auf, nur um gleich darauf wieder zu

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