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Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)

Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)

Titel: Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vitali Sertakov
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folgte der Unterricht im Jagen, Sammeln und Fischen, an dem auch die Dorfjugend teilnahm. Natürlich galt es, die Fische mit bloßen Händen zu erwischen. Die Beute war das Abendessen – weshalb Kowal sich fast jeden Abend mit knurrendem Magen hinlegte, denn im besten Fall fand er ein paar Beeren oder Pilze. Das Jagen blieb ihm jedoch ein ewiges Rätsel.
    Auf das Abendessen folgte der schwierigste Teil der Ausbildung, der Sportunterricht . Die Vorstellungen der hiesigen Trainer unterschieden sich von allem, was man zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts in puncto Selbstverteidigung gelehrt hatte. Zumindest in Europa. Artur verfügte nicht mal ansatzweise über die Fertigkeiten, die die Wipper an den Tag legten. Während er seine Wunden ableckte, fiel ihm mit einem bitteren Lachen wieder ein, wie er den verletzten Ismail gefesselt hatte. Wie hatte er nur auf diese Show reinfallen können?! Artur musste sich in die Mitte eines Kreises stellen, der einen Durchmesser von zwei Metern hatte, und sich mit Kieseln beschmeißen lassen. Zunächst beschossen ihn nur zwei, später vier Wipper, wobei sie immer auf seinen Kopf zielten. Sobald er es gelernt hatte, sich wegzuducken, bewaffneten sie sich mit Schleudern, und der Kreis wurde auf die Größe eines Gullys verringert. Am achten Tag schoss Berder mit einem Bogen auf ihn. Der Pfeil traf ihn unterm Schulterblatt, der Schmerz war ungeheuer. Am elften Tag verband man ihm die Augen und befahl ihm, die Steine zu fangen. Ein paar erwischte er sogar – nur hätte ihn das beinahe seine Zähne gekostet.
    Bei Einbruch der Dunkelheit ging man zur letzten Lektion über, dem Fangspiel. Wie ihm Berder erklärte, lasse es ein echter Krieger nie zu direktem Körperkontakt kommen. Wer seinen Gegner umarmte, bot ihm den Rücken zum Schlag dar. Deshalb jagten Artur nun vier, mit kurzen Knüppeln bewaffnete Teenager durch eine enge, nur von Öllampen beleuchtete Hütte. Nach einer Weile wurden die Rollen getauscht, dann musste Artur seinerseits versuchen, einem halb nackten kahlen Jungen eins mit seinem Knüppel über den Schädel zu ziehen. Dem Gejagten war zwar alles erlaubt, viel helfen tat das Artur jedoch nicht.
    Am Ende der dritten Woche konnte Artur sich fast eine Viertelstunde lang halten, ohne einen Knüppelschlag einzustecken. Laut Berder war das für den Anfang gar nicht schlecht, aus seinem Mund das höchste Lob.
    Manchmal gab es statt Sport auch Chemie . Er musste sich die Gerüche von ein paar Hundert Kräutern einprägen, die im weiten Gebiet vom Weißen Meer bis zum Kaukasus gesammelt worden waren, und die richtigen Mengen für Salben bestimmen. Beim nächsten Ritt in den Norden wurde er in der Herstellung von Giften und narkotischen Präparaten unterwiesen. Damit wusste er alles über Heilung und Töten. Besonders vorsichtig musste er mit Pflanzen sein, die in den Gebieten rund um Brandstätten gesammelt worden waren. Ein Tropfen des Safts eines unbekannten Pilzes konnte eine Blutung stillen und jede Schnittwunde heilen, zwei Tropfen des gleichen Stoffs töteten einen Menschen in einer halben Sekunde. Städter zahlten für diese Mittelchen selbstverständlich gutes Geld … Artur fiel der Tote im Gully ein: Hatte der nicht auch einen Isobehälter mit allerlei Flüssigkeiten dabeigehabt?
    Wenn er dann bei der Rückkehr den Rauch über dem Dorf im Ural sah, meinte er, tatsächlich nach Hause zu kommen. Allmählich gewöhnte er sich an seine neuen Nachbarn, wobei er selbst nicht wusste, ob er sich darüber freuen sollte oder nicht. Der Mensch kann sich an vieles anpassen, redete er sich ein, wenn er nachts Nadja van Gogh im Arm hielt. Die Frage ist nur, was er selbst will. Gut, hier leben raue Menschen. Aber trotz ihrer wahnsinnigen Theorien vom Gleichgewicht haben sie eine funktionierende und gerechte Gemeinschaft aufgebaut. Sie verzichten praktisch auf Privatbesitz und sind durch ein gemeinsames Ziel miteinander verbunden. Sie wachsen im Gefühl auf, etwas Besonderes zu sein, müssen dafür aber eine gewisse geistige Armut in Kauf nehmen. Und sie wissen von klein auf, dass andere Menschen ihnen mit Neid und Angst begegnen und dass ihnen jeder Weg in die Stadt versperrt ist. Deshalb sind sie auf das Dorf angewiesen, deshalb streiten sie untereinander nicht …
    Vielleicht würde das Leben in diesem Dorf schwerer werden als in Piter – aber spannend würde es allemal sein. Außerdem musste er weder Jauchegruben putzen noch auf die Schweine aufpassen, dafür gab es Wilde. Zu

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