Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)
der Hobelbank, auf der den Gefangenen die Gelenke gebrochen wurden, fand Kowal zu seiner Freude das Bündel mit seinen Sachen. Er rollte die Hose auf und verstaute die zwei Dornen mit Narkotikum, die er nicht gebraucht hatte, wieder in der Geheimtasche.
»Hör zu, vergessen wir den Vorfall doch einfach«, schlug Karim nach einer Weile vor. »Du hast das Gesetz gebrochen, aber du hast viel Glück gehabt, dass ich auf dem Markt gewesen bin. Andernfalls hätten die Soldaten dich womöglich auf der Stelle erschossen …«
»Mir ist bewusst, dass ich tief in deiner Schuld stehe, Hochwürden!«, höhnte Kowal. Er löste eine der Handschellen, zog die Kette durchs Gitter und fesselte Karim erneut. »Und jetzt lass uns gehen.«
Kowal zog an der Schnur neben der Tür. Sofort war draußen das Trappeln von Schritten und das Rumpeln, mit dem die Riegel zurückgeschoben wurden, zu hören. Noch bevor die Tür geöffnet wurde, roch Artur Alkohol. Die beiden kräftigen Opritschniks in der Uniform der Binnenschifffahrtsflotte und mit Schulterstücken der Flugwaffe erstarrten und vergaßen völlig, nach ihren Waffen zu greifen. Kowal hielt Karim eine Klinge an die Kehle. Eine Minute später hatte er die Leutnants nackt ausgezogen, gefesselt und sorgfältig weggesperrt. Er und sein Gefangener konnten sich auf den Weg nach draußen machen. Im nächsten Stockwerk stieß er auf so etwas wie einen Wachtposten. Karim ging vor ihm her, aufgemuntert durch ein paar Spritzen in den Hals. Der Diensthabende erfasste die Situation mit einem Blick.
Als er versuchte, Artur das Breitschwert über den Schädel zu ziehen, nutzte Karim die günstige Gelegenheit, ließ sich auf den Boden fallen und kroch flink auf die offene Tür zu. Der Diensthabende schlug dreimal zu. Zweimal traf er die Wand, beim dritten Versuch blieb er an einem aus der Wand herausragenden Haken hängen, sodass die Klinge direkt am Heft abbrach. Artur war schon an ihm vorbei, als er hörte, wie hinter ihm eine Waffe entsichert wurde. Dem gescheiterten Fechter war eingefallen, dass er noch ein Gewehr besaß … Eigentlich widerstrebte es Kowal, jemanden zu töten. Noch immer sah er die Gesichter der toten Biker an der Straßensperre vor sich, wenn er die Augen schloss. Aber die Zeit für Verhandlungen war vorbei. Er tauchte unter dem Lauf weg, lenkte den Blick seines Gegners mit einer Bewegung der linken Hand ab und stieß ihm einmal kurz in den Solarplexus.
Karim wäre unterdessen die Flucht beinahe geglückt, sodass Artur ihm hinterherhetzen musste. Als er ihn sichergestellt hatte, kam ihm die Idee, sich die Gefangenen in den Zellen anzusehen. In der ersten Zelle hockten gleich drei Männer. Als sie den Kirchenmann sahen, warfen sie sich ihm zu Füßen. Die Offiziersinsignien ließen darauf schließen, dass es sich um Angehörige der Kremlarmee handelte.
»Diese Gauner!«, zischte Karim angewidert. »Sie haben in den Vorstädten die Straßensteuer eingetrieben, aber einen Großteil davon unterschlagen …«
»Die Straßensteuer? Das gefällt mir«, rief Artur aus und verschloss die Zelle. »Aber sag mal, wenn ihr schon eine Straßensteuer eintreibt, baut ihr dann vielleicht auch Straßen?«
»Das sollen die Vorstädte mal hübsch selbst erledigen!«, konterte Karim. »Wir müssen schon knapp fünfhundert Asiaten durchfüttern, die die Twerskaja pflastern. Moskau hat schließlich Vorrang!«
»Aber klar doch!«, erwiderte Artur, während er die nächste Zelle aufsperrte. »Moskau hat Vorrang – und alle anderen sollen sehen, wo sie bleiben.«
In ihr war ein Major untergebracht, der sich rund um die Metrostation Taganskaja illegal Gebäude unter den Nagel gerissen hatte. Allerdings war er nicht dafür angeklagt worden, dass er einige Dutzend Menschen aus einer fremden Garnison auf die Straße gesetzt hatte – im Gegenteil, dafür war er belobigt worden –, sondern dafür, dass er das Grundstücksverzeichnis zu seinen Gunsten ausgelegt hatte.
Dann kam eine Zelle mit einer älteren Mutter, die sehr gütig aussah und bis vor Kurzem das Kommando über die Bande aus Ljuberezy gehabt hatte. Ihr Verbrechen bestand darin, einen stattlichen Teil ihrer Verwandten getötet zu haben, damit der Kreml sie nicht rekrutieren konnte. Deshalb warf man ihr Sabotage vor. Artur dachte kurz nach und beschloss dann, dass er die Frau nicht befreien wollte.
In der letzten Zelle stieß er auf eine Gruppe von vier jungen Dieben. Sie hatten in Moskau Auftragsdiebstähle durchgeführt, was sich
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