Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)
die beiden Drobitschenkos wieder hinausgeführt. Krachend fiel die Tür hinter ihnen zu. Karim wärmte sich die Hände über dem Feuer. Der Widerschein der Flammen tanzte in seinen übermüdeten Augen.
»Du tust mir leid, Hochwürden …«
»Tatsächlich?«, fragte Karim, blieb aber in Gedanken versunken.
»O ja. Du hast eine allzu schwere Last auf dich genommen, die dich nachts nicht schlafen lässt.«
»Wer bist du wirklich, Artur Kowal?«
»Komm etwas näher, dann sage ich es dir.«
Karim baute sich ihm gegenüber auf. Sein Atem roch verfault, die von Falten durchzogene Wange zuckte.
»Wenn du schon nicht um dein Leben flehst«, sagte Karim, »wie wäre es dann damit, mich um Freiheit zu bitten? Das ist deine letzte Gelegenheit, dich an mich zu wenden. Denn gleich verlasse ich diesen Raum. Danach werden sich meine Leute deiner annehmen, und wir werden uns sehr lange nicht sehen. Vielleicht sogar einige Jahre nicht.«
»In dem Fall möchte ich dieses freundliche Angebot annehmen, Hochwürden. Früher einmal hieß ich Artur Kowal, aber das liegt lange zurück.« Artur sah seinem Gegenüber fest in die Augen. Langsam – geradezu widerwillig – setzte Karim einen Fuß vor, fast als zöge ein unsichtbarer Magnet ihn zu Artur. Dann machte er noch einen Schritt. Nun stand der Inquisitor ganz dicht vor dem Gefangenen. »Heute aber nennt man mich Erwachter Dämon.«
(28)
DIE NEUEN OPRITSCHNIKS
Karim wich mit einem kurzen Aufschrei zurück, doch da war es schon zu spät. Der Dorn, bei der Leibesvisitation übersehen, steckte bereits in der Unterlippe des Kirchenmannes. Artur spuckte das schmale Blasrohr aus und schob sich neue Munition unter die Zunge. Karim lag, am ganzen Körper zitternd, auf dem Boden, die starren Augen zur Decke gerichtet.
»Jetzt hör mir zu, Karim! Du hörst nur mich, andere Geräusche nimmst du nicht wahr. Nur meine Stimme, Karim, die Stimme deines Herrn. Du hast entsetzliche Kopfschmerzen, dein Kopf ist kurz davor zu bersten. Du kannst weder deine Arme noch deine Beine bewegen. Dein Körper gehorcht dir nicht mehr … Du hörst nur mich. Deine Ohren explodieren gleich. Du spürst ganz genau, dass sie gleich platzen. Nur ich kann dich retten. Nur ich kann dir helfen und diesen schrecklichen Schmerz lindern. Nur ich kann dir wieder auf die Beine helfen. Ohne meine Befehle bist du dazu verdammt, in ewiger Starre zu leben … Du hörst nur mich. Es dröhnt dir in den Ohren, der Schmerz lässt dich fast taub werden, und du hörst nur meine Stimme. Ich bin deine letzte Hoffnung auf Rettung, Karim. Und jetzt stehst du auf und hilfst mir, meine Hände zu befreien. Ich habe mich versehentlich hier festgesperrt. Wenn du mir nicht hilfst, wird der Kopfschmerz dich umbringen …«
Karim wand sich inzwischen auf dem Boden und presste die Hände gegen die Schläfen.
»Nur ich kann deine Augen retten«, fuhr Artur fort. »Wenn ich dir nicht helfe, fließt Blut in deine Augen. Du spürst bereits, wie dein Hirn kocht. Und jetzt steh auf!«
Beim zweiten Anlauf gelang es Karim, sich zu erheben.
Kaum befreit ging Artur ein paar Schritte durch die Folterkammer, massierte sich die tauben Hände und rüttelte ganz vorsichtig an der Tür. Sie war abgeschlossen. Er musste jetzt mit größter Vorsicht handeln. Gegenüber den Drobitschenkos war er viel zu vertrauensselig gewesen, auch wenn er den beiden verhinderten Wissenschaftlern deswegen keinen Vorwurf machte. Diese Akademiker … Früher war er ja genauso gewesen. Oder nein, ein wenig hatte er sich selbst damals von ihnen unterschieden …
Ihm blieben noch ein paar Minuten, in denen das Narkotikum wirkte. In dieser Zeit sollte der Inquisitor gefälligst ein paar wertvolle Informationen ausspucken …
»Antworte mir! Wie viele Menschen gehören dem Rat des Präsidenten an?«
»Im Großen Kreis sechzehn …«
»Es gibt also auch noch einen Kleinen Kreis. Antworte! Sonst kehren die Kopfschmerzen zurück!«
»Im Kleinen Kreis sind es vier.«
»Gehörst du dem Kleinen Kreis an?«
»Ja … Ich bin der Oberste Beichtvater der Heiligen Truppen.«
»Nennen wir die Dinge doch beim Namen, Hochwürden: Du bist Stellvertretender Politkommissar. Stimmt es, dass eure Leute mit vergifteten Handschuhen zwei Präsidentschaftskandidaten ermordet haben?«
»Ja und nein … Semjon Streithahn wurde mit Pilzen vergiftet.«
»Auch nicht schlecht!«
Kowal lauschte. Durch den Rauchfang klang ein tiefes Geräusch an sein Ohr. Dann erneut, immer und immer wieder.
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