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Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)

Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)

Titel: Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vitali Sertakov
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den Rauchwolken waren Männer mit nacktem Oberkörper zu erkennen, die den Kessel mit meterlangen Holzscheiten befeuerten.
    Das Mausoleum war anscheinend frontal mit schwerem Geschütz beschossen worden. Das Gebäude selbst war eingestürzt, die Mauer dahinter durchzogen zwei blitzartige Risse. Über der noch intakten Granitplatte des Buchstabens E aus dem Wort LENIN war eine Schnur gespannt, an der Wäsche trocknete, darunter lief eine Ziege herum. Sie fraß die Reste von Birkenzweigen, die vermutlich aus der äußersten Hütte stammten: Die Rauchsäule über ihr und die fröhlichen Schreie aus ihr ließen vermuten, dass sie als Sauna genutzt wurde. Überall stank es entsetzlich. Der Frühling hatte die Müllberge aufgetaut, nun flossen die stinkenden bunten Bäche zusammen, um gemeinsam zur Moskwa zu strömen. Kowal versuchte, durch den Mund zu atmen. Heute verstand er die Wipper besser denn je zuvor. Vermutlich hatte es in der Eremitage nicht ganz so grauenvoll gerochen – aber die drei Jahre an der frischen Luft waren auch nicht unbemerkt an ihm vorübergegangen. Er bedauerte, keine Gasmaske mitgenommen zu haben, andererseits trug in Moskau aus irgendeinem Grund niemand diese Dinger. Ob ich den Anschluss an die Welt verloren habe?, fragte er sich. Vielleicht läuft inzwischen ja kein Mensch mehr mit Maske rum.
    Nun traf er seine Entscheidung: Er packte Karim von hinten, wartete, bis er ein Pferdefuhrwerk entdeckte, und torkelte dann darauf zu. Ein paar einfachen Soldaten winkte er wild zu, somit vorgebend, er sei betrunken – und verfrachte seinen noch besoffeneren Kumpel nach Hause. Immerhin schleiften Karims Füße höchst authentisch über den Boden. Als Kowal den Wagen erreichte und den Kirchenmann auf die Ladefläche mit leeren Jutesäcken hievte, blieb ein Schuh im Matsch stecken. Der Kutscher wollte schon Protest einlegen, aber Artur regelte alle offenen Fragen kurzerhand auf altbewährte Weise, schließlich hatte er in Karims Taschen genug Gold gefunden, um jede Kutsche Moskaus samt Kutscher zu kaufen.
    »Mein Kumpel hat einen übern Durst getrunken«, erklärte Artur, während er einen Jutesack über Karim ausbreitete. Der wurde auf der Stelle schwarz, denn der Karren hatte Kohle geladen. »Was ist, Mann, fährst du uns nach Haus?« Artur nannte die Adresse und bereitete sich innerlich darauf vor, auch den Fuhrmann unter den Sack zu stopfen, sollte dieser Sperenzchen machen.
    Der tat jedoch nichts dergleichen. Nur verwirrte ihn diese ungeheure Menge Geld und ließ ihn einen Hinterhalt wittern. Er beruhigte sich erst, als Artur ihm die Legende von zwei Petersburger Ingenieuren auftischte, die sich bei der Ausbesserung der Metro ein hübsches Sümmchen verdient und sich vor Freude darüber das eine oder andere Gläschen spendiert hätten. Daraufhin taute er auf und fing an zu plaudern. Als Artur erfuhr, dass der Mann erst vierundzwanzig Jahre alt war, wollte er das kaum glauben. Mit der schuppigen grauen Haut, den schorfigen Lippen, dem schütteren Haar und der grauenvollen Furunkelsammlung auf der von Kohlenstaub schwarzen, im Ausschnitt des fadenscheinigen Hemds hervorlugenden Brust sah er eher wie vierzig aus.
    Als Artur dann vorsichtig andeutete, er habe bei den Metroleuten gearbeitet und hege für Pap Iwan nicht gerade die freundschaftlichsten Gefühle, wurde der Mann noch gesprächiger. Artur brauchte nur noch ab und an aha zu murmeln, sich durchschütteln zu lassen und aufmerksam zurückzublicken. Der Wagen, vor den zwei ausgemergelte alte Wallache gespannt waren, zuckelte extrem langsam durch die Straßen. Eine Möglichkeit, die beiden Tiere zu einem schnelleren Tempo anzutreiben, gab es nicht. Deshalb konnte Artur nur hoffen, dass Karim wenigstens noch eine Stunde lang ohnmächtig bliebe.
    Der Kutscher hieß Marquis, weil das einzige Buch, das in seinem Elternhaus nicht im Ofen gelandet war, von den Abenteuern eines gewissen Marquis de Carabas handelte. Wer dieser Marquis de Carabas eigentlich war, wusste der junge Aristokrat zwar nicht, trotzdem verzichtete Kowal darauf, es ihm zu erzählen. Der Marquis stammte aus Brjansk und hatte – wie die meisten Menschen – nur gute Erinnerungen an seine Kindheit. Gut, bisweilen gab es nichts zu essen. Außerdem war es immer kalt. Und viele Menschen seien gestorben, weil manchmal ansteckende Krankheiten die Runde machten. Artur begriff nicht ganz genau, um welche Krankheiten es sich da handelte, ob es irgendwelche Folgen einer HIV -Infektion waren oder,

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