Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)
Blick blieb an der schmalen, braun gebrannten Hand mit den abgeknabberten Fingernägeln hängen, die sich an der Schulter dieses Sanitäters festklammerte. Als Antiseptikum stand nur Sprit zur Verfügung. Allerdings musste der Arzt Arina irgendeine Form von Narkotikum gespritzt haben, denn als sie nach einer Weile das Wort an ihn richtete, war der Blick ihrer Augen verschleiert, jede ihrer Bewegungen schlaff.
»Mir wurde … berichtet … dass du die jungen Mütter und die Karawane … gerettet hast«, stammelte sie.
»Das stimmt nicht ganz«, wiegelte Kowal ab. »Ich habe nur die ermordeten Schützen ersetzt, als Not am Mann war.«
»Lüg mich nicht an, Meister!« Arina schluckte, und in ihrem Mundwinkel bildete sich ein Blutstropfen.
Zwei ihrer Bodyguards halfen ihr, sich aufzusetzen. Artur wusste bereits, was geschehen war: Nachdem Arina mitbekommen hatte, dass ihre Untergebenen vor Angst erstarrt waren und das MG schwieg, hatte sie dem Kutscher des Panzerwagens die Zügel aus der Hand gerissen, den Wagen direkt auf die feindliche Haubitze zugejagt und sie gerammt.
Die Kanoniere waren geflohen, zwei Wilde hatte Arina mit einem Revolver niedergeschossen, aber dann war die Kutsche im Schlamm stecken geblieben. Der Traktor hatte sie zwar wieder herausziehen können, war dann jedoch ebenfalls getroffen worden. Im Wagen waren zu diesem Zeitpunkt nur Arina, sechs Soldaten, alles verzweifelte Haudegen, und Christoph, der Sohn des Roten Vollmonds. Keiner von ihnen stellte das Schießen ein, obwohl sie alle eine Heidenangst vor den Echsen hatten. Als sie danach versuchten, den Panzerwagen aus dem Matsch zu ziehen, wurden sie von den Wilden attackiert, die sich bis dahin versteckt gehalten hatten. Es war das reinste Blutbad. Arina wurde viermal getroffen. Sergo, Ruslans Bruder und der Anführer von Arinas Bodyguards, erledigte einen der Saurier mit dem Schwert. Hätte Kowal in diesem Moment nicht die erste Salve mit der Flak abgegeben und damit die Feinde in alle Richtungen auseinandergetrieben, wären die Leute aus dem Panzerwagen vermutlich alle gestorben …
»Sergo! Es sollen sich alle versammeln.« Obwohl Arina jedes Wort entsetzliche Mühe kostete, behielt die schmächtige Frau das Ruder fest in der Hand.
Der Arzt tupfte ihr ununterbrochen die Stirn mit einem feuchten Tuch ab und hielt ihr immer wieder ein Döschen mit weißem Pulver unter die Nase. Die Sergeanten, aber auch Charly und Mücke trudelten ein. Der Mann namens Sergo Abaschidze, ein kräftiger buckliger Kerl mit einer Hand in der Schlinge und einem verbundenen Ohr, stürzte davon, um die Glocke zu läuten und alle zusammenzurufen.
»Herrin, wir haben siebenundzwanzig Mann und die Hälfte der Pferde verloren. Vier Wagen sind völlig ausgebrannt. In ihnen waren das Futter für die Tiere, der Vorrat an Sprit und die Küche. Auch die getrockneten Beeren, die Vögel und einen Teil des Leders konnten wir nicht retten. Der Wagen mit den Flaschen ist umgekippt und halb zerbrochen. Eines der Fuhrwerke für die Kanonen ist ebenfalls verloren, ein Traktor hinüber. Der Vorrat an Heizmaterial hat nicht gelitten, die Kasse alles unbeschadet überstanden. Vier Passagiere haben den Tod gefunden. Einer aus der Kommune in Narva, ein Kirchenmann und zwei von unseren Leuten. Von den Cowboys sind keine Klagen zu hören, aber die Jungs von Mam Kate wollen umkehren. Ihr Sergeant sagt, dass sie uns den zweifachen Sold zurückzahlen, den Weg aber auf gar keinen Fall fortsetzen. Sie meinen, selbst wenn wir alle Pferde der Dschingisse einspannen würden, würde sich die Karawane nicht einen Fußbreit vorwärtsbewegen.«
»Was ist mit den Müttern?«, wollte Arina wissen.
»Die haben das Ganze zwar wohlbehalten überstanden, aber einer geht es sehr schlecht, Herrin. Wir haben das Feuer gelöscht und sie in ihr Abteil zurückgebracht. Die blonde, Nadja, die Tochter von Aurora van Gogh, hat viel Rauch eingeatmet und ist noch nicht wieder zu sich gekommen.«
In diesem Moment kam Sergo zurück, der offenbar auch das Amt des Stabsvorsitzenden innehatte. »Die Leute haben Angst, länger hierzubleiben, Herrin!«, berichtete er.
»Sage ihnen …« Arina erlitt einen Hustenanfall. Der Arzt und ein Bodyguard eilten sofort herbei, um die Decke, die heruntergeglitten war, wieder hochzuziehen. Dennoch hatte Artur einen Blick auf die vom Blut bereits braunen Verbände erhascht. Der gesamte Oberkörper der Frau, der Bauch und die Brust, waren fest umwickelt. Unwillkürlich zuckte er
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