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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Klicken und Klappern der zahlreichen Schreibmaschinen kann Waterhouse nicht hören, was gesprochen wird, aber er sieht Interesse und Verwirrung auf Packards jungem, offenem, rosigem Gesicht. Packard wirft Waterhouse ein, zwei schräge Blicke zu, während er seinem Gesprächspartner lauscht. Dann sagt er etwas Respektvolles und Beruhigendes in den Hörer und legt auf.
    »Schön. Tja, was möchten Sie gern sehen?«
    »Ich versuche, einen Überblick über den Informationsfluss zu gewinnen.«
    »Tja, hier sind wir ganz nahe am Anfang – das hier ist sozusagen der Oberlauf. Unsere Quelle ist der Y Service – Militär- und Amateurfunker, die die deutschen Funksendungen abhören und uns das hier liefern.« Packard nimmt einen Zettel aus einer Satteltasche und reicht ihn Waterhouse.
    Es handelt sich um ein Formular mit verschiedenen Kästchen am oberen Rand, in die irgendwer das Datum (heute), die Zeit (vor ein paar Stunden) und noch ein paar andere Daten wie etwa die Frequenz eingetragen hat. Darunter ist im wesentlichen freier Raum, in den in hastigen Blockbuchstaben Folgendes gekritzelt wurde:

    Eingeleitet wird das Ganze durch zwei Gruppen von jeweils drei Buchstaben:
     
    YUH ABG
     
     
    »Das da ist von einer unserer Stationen in Kent hereingekommen«, sagt Packard. »Das ist eine Chaffinch-Nachricht.«
    »Also – eine von Rommel?«
    »Ja. Diese Meldung ist aus Kairo hereingekommen. Chaffinch hat oberste Priorität, deshalb liegt der Zettel ganz oben auf dem Stapel.«
    Packard führt Waterhouse den Mittelgang der Baracke zwischen den Reihen der Typistinnen entlang. Er tritt zu einer der jungen Frauen, die gerade mit einer Meldung fertig wird, und reicht ihr den Zettel. Sie legt ihn sich neben ihrer Maschine zurecht und beginnt, ihn einzutippen.
    Auf den ersten Blick hatte Waterhouse geglaubt, die Maschinen entsprächen einfach der britischen Vorstellung davon, wie eine elektrische Schreibmaschine zu bauen sei – so groß wie ein Esstisch, eingepackt in zweihundert Pfund Gusseisen, unter der Haube ein 10-PS-Motor, das Ganze umgeben von hohen Zäunen und bewaffneten Wachen. Nun aber, aus der Nähe, sieht er, dass es sich um etwas viel Komplizierteres handelt. Anstelle einer Walze befindet sich auf dem Gerät eine große flache Spule mit einer Rolle schmalem Papierband. Es ist nicht die gleiche Art von Band, die er vorhin durch die große Maschine hat rauchen sehen. Das Band hier ist schmaler, und wenn es aus der Maschine herauskommt, sind keine Löcher hineingestanzt, die eine Maschine lesen könnte. Vielmehr wird jedes Mal, wenn die junge Frau beim Abschreiben des Textes auf dem Zettel eine Taste auf der Tastatur anschlägt, ein Buchstabe auf das Band gedruckt. Aber nicht der Buchstabe, den sie getippt hat.
    Sie braucht nicht lange, um alle Buchstaben einzutippen. Dann reißt sie das Band von der Maschine ab. Es hat eine Klebeschicht auf der Rückseite, mit der sie es auf den Originalzettel mit der abgefangenen Nachricht klebt. Sie reicht ihn Packard und schenkt ihm dabei ein sprödes Lächeln. Er reagiert mit einem Mittelding zwischen Nicken und zackiger kleiner Verbeugung, etwas, womit kein amerikanischer Mann je davonkäme. Er wirft einen Blick auf den Zettel und reicht ihn Waterhouse.
    Die Buchstaben auf dem Zettel lauten
    EINUNDZWANZIGSTEPANZERDIVISIONBERICHTET
KEINEBESONDERENEREIGNISSE
    »Um diese Einstellungen zu erzielen, müssen Sie den Code knacken – und der wechselt jeden Tag?«
    Packard lächelt zustimmend. »Um Mitternacht. Wenn Sie noch« – er blickt auf seine Uhr – »vier Stunden hier bleiben, sehen Sie frische Meldungen vom Y Service hereinkommen, die reines Kauderwelsch produzieren, wenn wir sie in die Typex eingeben, weil die Deutschen Schlag Mitternacht sämtliche Codes ändern. Wie bei Cinderella Zauberkutsche, die sich in einen Kürbis zurückverwandelt. Dann müssen wir die neuen Meldungen mit Hilfe der Bomben analysieren und die neuen Tagescodes ermitteln.«
    »Wie lange dauert das?«
    »Manchmal haben wir Glück und haben die Tagescodes bis zwei oder drei Uhr morgens geknackt. Im Normalfall dauert es bis nachmittags oder abends. Und manchmal gelingt es uns überhaupt nicht.«
    »Okay, das ist eine dumme Frage, aber ich möchte das ganz genau verstehen. Diese Typex-Maschinen – die lediglich eine mechanische Entschlüsselungs-Operation durchführen – sind etwas ganz anderes als die Bomben, die die Codes tatsächlich knacken.«
    »Verglichen damit repräsentieren die Bomben eine ganz

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