Cryptonomicon
Macho-Blockbuchstaben der Schriftzug GOTO prangt. Ihnen entgegen kommt ein Strom weiterer Laster, die genauso aussehen, mit dem einzigen Unterschied, dass sie bis oben hin mit Steinschutt beladen sind. Der Taxifahrer fährt auf die rechte Bankette und saust ungefähr achthundert Meter weit an Lastwagen vorbei. Sie fahren bergauf – in Randys Ohren knackt es einmal. Die Straße ist in die Sohle einer Schlucht gebaut, die sich in eine der Gebirgsketten hinaufzieht. Schon bald sind sie umgeben von Schwindel erregenden grünen Wänden, die wie Schwämme wirken, indem sie eine unauflösliche Dunstwolke festhalten, durch die zuweilen leuchtende Farbtupfer sichtbar werden. Randy kann nicht erkennen, ob es Vögel oder Blumen gibt. Der Kontrast zwischen der üppigen Vegetation dieses Wolkenwaldes und der von den haushohen Reifen der schweren Laster ramponierten, unbefestigten Straße ist verwirrend.
Das Taxi hält an. Der Fahrer dreht sich um und wirft ihm einen erwartungsvollen Blick zu. Einen Moment lang glaubt Randy, er hätte sich verfahren und wartete nun auf weitere Instruktionen von ihm. Die Straße endet hier, auf einem Parkplatz, der ganz geheimnisvoll inmitten des Wolkenwaldes liegt. Randy sieht ein halbes Dutzend großer klimatisierter Wohnwagen mit den Logos verschiedener japanischer, deutscher und amerikanischer Firmen; einige Dutzend Autos; ebenso viele Busse. Die gesamte Ausstattung einer größeren Baustelle ist vorhanden, dazu noch einige Extras wie zwei Affen mit riesigen steifen Penissen, die sich um irgendeine Beute aus einem Müllcontainer streiten, aber weit und breit ist keine Baustelle zu sehen. Nur eine Wand aus Grün am Ende der Straße, ein so dunkles Grün, dass es schon fast schwarz ist.
In dieser Dunkelheit verschwinden die leeren Lastwagen. Voll beladene kommen heraus, wobei zuerst ihre Scheinwerfer aus dem düsteren Nebel auftauchen, gefolgt von den bunten Displays, die die Fahrer an ihre Kühlergrills montiert haben, den Glanzlichtern auf Chrom und Glas, und schließlich den Lastwagen selbst. Randys Augen passen sich an und er erkennt, dass er in eine von Quecksilberdampflampen erhellte Höhle starrt.
»Soll ich warten?«, fragt der Fahrer.
Randy wirft einen flüchtigen Blick auf den Taxameter, rechnet schnell um und kommt zu dem Ergebnis, dass die Fahrt bis hierher ihn so gut wie nichts gekostet hat. »Ja«, antwortet er und steigt aus. Zufrieden lehnt der Fahrer sich zurück und zündet sich eine Zigarette an.
Randy steht da und starrt eine Weile mit offenem Mund in die Höhle, zum Teil, weil sie einen wahnsinnigen Anblick bietet, zum Teil, weil ein kühler Luftstrom aus ihr herauszieht, was ihm gut tut. Dann stapft er über den Platz zu dem Wohnwagen mit der Aufschrift »Epiphyte«.
Er ist mit drei kleinen kinakutanischen Frauen besetzt, die genau wissen, wer er ist, obwohl sie ihm nie zuvor begegnet sind, und allem Anschein nach hocherfreut sind, ihn zu sehen. Über ihren Eddie-Bauer-Rollkragenpullovern tragen sie lange, locker fallende Schals aus einem leuchtend bunten Stoff, um sich vor der nordischen Kälte der Klimaanlagen zu schützen. Sie sind allesamt schrecklich tüchtig und selbstsicher. Wo Randy in Südostasien auch hingeht, überall trifft er auf Frauen, die eigentlich General Motors oder so was leiten müssten. Innerhalb kürzester Zeit haben sie über Walkie-Talkie und Handy die Nachricht von seiner Ankunft weitergegeben und ihn mit einem Paar dicker kniehoher Stiefel, einem Schutzhelm und einem Handy ausgestattet. Ein paar Minuten später öffnet ein junger Kinakutaner mit Schutzhelm und dreckigen Stiefeln die Wohnwagentür, stellt sich als »Steve« vor und führt Randy in die Höhle. Dabei benutzen sie einen Fußgängersteg, der von einer Reihe Glühbirnen hinter Gitterkörben erleuchtet wird.
Auf den ersten hundert Metern ist die Höhle nur ein gerader Stollen, gerade breit genug, um zwei Goto-Lastern und dem Fußweg Platz zu bieten. Randy fährt mit der Hand an der Wand entlang. Der Stein ist uneben und staubig, nicht glatt wie die Oberfläche einer natürlichen Höhle, und er kann frische Furchen sehen, die von Presslufthämmern und Bohrern stammen.
Am Echo erkennt er, dass eine Veränderung bevorsteht. Steve führt ihn in die eigentliche Höhle hinein. Sie ist, tja, höhlenartig . So groß, dass ein Dutzend der riesigen Laster im Kreis hintereinander herfahren und mit Felsbrocken und Dreck beladen werden können. Randy sucht über sich die Decke, sieht aber in
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