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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Comstock fertig geraucht hat, setzt er seine Suche fort. Einige der Papiere auf seinem Klemmbrett nennen bestimmte magische Zahlen, die in Schablonenschrift auf den fraglichen Kisten stehen müssten; zumindest ist er davon ausgegangen, seit er bei Tagesanbruch mit seiner Suche begonnen hat, und falls er sich irrt, darf er von vorn anfangen und jede Kiste im Hafen von Sydney noch einmal absuchen.
    Um tatsächlich einen Blick auf die Zahlen sämtlicher Kisten werfen zu können, muss er sich durch schmale Gänge zwischen Kistenstapeln hindurchquetschen und die Schmiere und den Schmutz abrubbeln, der die wichtigen Daten verdeckt. Mittlerweile ist der Major genauso dreckig wie irgendein Frontschwein.
    Als er sich dem Ende der Pier nähert, fällt sein Blick auf einen Stapel Kisten, die insofern alle vom selben Jahrgang zu sein scheinen, als ihre Salzverkrustungen von ähnlicher Dicke sind. Ganz unten, wo sich das Regenwasser sammelt, ist das grob gesägte Holz verfault. Oben, wo es von der Sonne gebraten wird, ist es verzogen und gesprungen. Irgendwo müssen Nummern auf diesen Kisten stehen, doch Comstock ist etwas anderes ins Auge gestochen, etwas, das sein Herz bewegt, wie etwa der Anblick des in der Morgensonne flatternden Sternenbanners das Herz eines belagerten Infanteristen. Die Kisten tragen die stolzen Initialen der Firma, für die Major Comstock und die meisten seiner Waffenkameraden in Brisbane gearbeitet haben, ehe man sie en masse in den Signal Intelligence Service der Army gesteckt hat. Die Buchstaben sind verblichen und schmutzig, aber er würde sie überall auf der Welt erkennen: Sie bilden das Firmenemblem, die Firmenidentität, die Flagge der ETC – der Elecrical Till Corporation.

KRYPTA
    Das Terminal soll an die Umrisse einer Reihe malaiischer Langhäuser erinnern, die zusammengedrängt nebeneinander stehen. Eine frisch gestrichene Fluggastbrücke tastet sich vor wie ein riesiges Neunauge und klatscht ihre Lippen aus Neopren seitlich an den Flugzeugrumpf. Die zu der Reisegruppe gehörenden älteren Japaner machen keine Anstalten auszusteigen, sondern halten die Gänge respektvoll für die Geschäftsleute frei: Gehen Sie nur vor, denen, die wir besuchen wollen, macht es nichts aus zu warten .
    Auf dem Weg durch die Fluggastbrücke kondensieren Feuchtigkeit und Treibstoff zu gleichen Teilen auf Randys Haut und er fängt an zu schwitzen. Dann ist er im Terminal, das ungeachtet der Anspielung auf malaiische Langhäuser ausdrücklich so gebaut wurde, dass es aussieht wie jedes andere funkelnagelneue Flughafenterminal auf der Welt. Die Klimatisierung trifft ihn wie ein Nagel durch den Kopf. Er stellt seine Taschen auf den Boden und bleibt, um seine fünf Sinne wieder zusammenzunehmen, einen Moment lang unter einem Leroy-Neiman-Gemälde von den Ausmaßen eines Volleyballfeldes stehen, das den Sultan in Aktion auf einem Polopony zeigt. Während eines kurzen, unruhigen Fluges auf einem Fensterplatz eingezwängt, hatte er es nicht geschafft, zur Toilette zu gehen; deshalb sucht er jetzt eine auf und pinkelt einen so kräftigen Strahl, dass das Urinal eine Art Jodeln von sich gibt.
    Als er, gründlich erleichtert, einen Schritt nach hinten macht, bemerkt er einen Mann, der von einem benachbarten Urinal zurücktritt – einer der japanischen Geschäftsleute, die gerade aus dem Flugzeug gestiegen sind. Noch vor wenigen Monaten hätte die Anwesenheit dieses Mannes Randy ganz und gar am Pinkeln gehindert. Heute hat er nicht einmal bemerkt, dass der andere da war. Als jemand, der lange unter einer schüchternen Blase gelitten hat, ist Randy entzückt darüber, zufällig auf das Wundermittel gestoßen zu sein: Man muss sich nicht einreden, ein dominantes männliches Alphatier zu sein, sondern sich so in seinen Gedanken verlieren, dass man die Leute um einen herum gar nicht bemerkt. Mit der schüchternen Blase sagt einem der Körper, dass man zu viel nachdenkt und dass es höchste Zeit ist, von der Uni abzugehen und sich einen vernünftigen Job zu besorgen.
    »Sie haben sich den Sitz des Informationsministeriums angesehen?«, fragt der Geschäftsmann. Er steckt in einem perfekt sitzenden schwarz-grauen Nadelstreifenanzug, den er ebenso locker und leger trägt wie Randy sein Souvenir-T-Shirt von der Fünften Hacker-Konferenz, die Surfer-Bermudas und die Teva-Sandalen.
    »Oh!«, stößt Randy verlegen hervor. »Ich habe völlig vergessen, nach ihm Ausschau zu halten.« Beide Männer lachen. Mit einiger Fingerfertigkeit

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