Cryptonomicon
Qwghlm.
Die drei Zacken, genannt Sghrs, sind Basaltsäulen. Da man sich mitten im Zweiten Weltkrieg befindet und Outer Qwghlm der Teil der Britischen Inseln ist, der den Kämpfen der Schlacht im Atlantik am nächsten liegt, sind die Sghrs nun mit kleinen weißen Funkerhütten gesprenkelt und starren von Antennen. Es gibt einen vierten Sghr, der sich, viel niedriger als die anderen und leicht mit einem bloßen Hügel zu verwechseln, über dem einzigen Hafen von Outer Qwghlm erhebt (der zugleich die einzige Siedlung darstellt, wenn man die Flottenbasis auf der anderen Seite nicht mitzählt). Auf diesem vierten Sghr liegt das Schloss, welches das nominelle Zuhause von Nigel St. John Gloamthorpby-Woadmire ist und das neue Hauptquartier von Abteilung 2702 werden soll.
Ein fünfminütiger Spaziergang erschließt die ganze Stadt. Ein wütender Hahn jagt ein hinfälliges Schaf die Hauptstraße entlang. Auf den höheren Erhebungen liegt Schnee, hier unten jedoch nur grauer Matsch, der nicht von den grauen Pflastersteinen zu unterscheiden ist, bis man darauf ausrutscht und sich auf den Hintern setzt. Die Encyclopedia Qwghlmiana macht ausgiebig Gebrauch vom bestimmten Artikel – die Stadt, das Schloss, das Hotel, der Pub, die Pier. Waterhouse legt einen Zwischenstopp bei dem Scheißhaus ein, um sich mit einigen Nachwirkungen der Seereise auseinander zu setzen, dann geht er die Straße hinauf. Das Automobil hält am Straßenrand und der Fahrer bietet an, ihn mitzunehmen; wie sich herausstellt, ist es zugleich das Taxi. Es befördert ihn an dem Park entlang, wo ihm die Skulptur (Qwghlianer aus grauer Vorzeit verdreschen glücklose Wikinger) auffällt; das bleibt dem Taxifahrer nicht verborgen und er biegt in den Park ein, damit Waterhouse sie sich genauer ansehen kann.
Die Skulptur gehört zu der Sorte, die viel zu sagen hat und eine entsprechend große Grundstücksfläche einnimmt. Ihr Sockel ist ein Brocken einheimischer Basalt, der mindestens auf einer Seite mit Krakeln bedeckt ist, die Waterhouse dank seiner Lektüre der Encyclopedia als qwghlmianische Runen erkennt. Für einen ignoranten Philister sähen sie aus wie eine endlose, beliebige Abfolge von X, Is, Vs, Bindestrichen, Asterisken und auf dem Kopf stehenden Vs. Sie sind jedoch nach wie vor ein Quell des Stolzes für -
»Diese Römer und dieser Julius Cäsar hatten uns gerade noch gefehlt«, bemerkt der Taxifahrer, »und von ihrem Alphabet waren wir auch nicht allzu angetan.«
Tatsächlich enthält die Encyclopedia Qwghlmiana einen ausführlichen Artikel über das hiesige Runensystem. Der Verfasser des Artikels hat einen solchen Komplex, dass es fast körperliche Schmerzen bereitet, das Ding zu lesen. Die qwghlmianische Praxis, den Gebrauch von Bögen und Schleifen zu vermeiden und sämtliche Glyphen aus geraden Linien zu bilden, ist alles andere als primitiv – wie von manchen englischen Gelehrten behauptet – und verleiht der Schrift eine durchsichtige Strenge. Es handelt sich um einen bewundernswert funktionalen Schreibstil an einem Ort, wo (nachdem die Engländer sämtliche Bäume gefällt hatten) der größte Teil der literarisch gebildeten Intelligenz an chronischen beidseitigen Frostbeulen litt.
Waterhouse hat das Fenster heruntergekurbelt, um besser sehen zu können; anscheinend hat irgendwer den Gummiwischer verschlampt. Die über sein Gesicht streichende, eisige Brise vertreibt seine Seekrankheit schließlich so weit, dass er sich zu fragen beginnt, wie er es anstellen soll, sich mit der Hure in Verbindung zu setzen.
Dann wird ihm mit einiger Enttäuschung klar, dass sich die Hure, wenn sie auch nur ein bisschen Grips hat, bei dem Flottenstützpunkt auf der anderen Seite der Insel aufhält.
»Wer ist der arme Teufel da?«, fragt Waterhouse. Er deutet auf eine Ecke der Skulptur, wo ein dürrer, in den Staub getretener Jämmerling mit einem um den Hals geschmiedeten Eisenband und daran baumelnder Kette angesichts des Blutbades, das die strammen qwghlmianischen Machos veranstalten, vor sich hin zittert und schlottert. Waterhouse kennt die Antwort bereits, aber er kann der Versuchung zu fragen nicht widerstehen.
»Hakh!«, bricht es aus dem Taxifahrer hervor, als würge er einen Schleimklumpen hoch. »Der ist von Inner Qwghlm, kann ich nur annehmen.«
»Natürlich.«
Der kurze Wortwechsel scheint den Fahrer in eine üble, unversöhnliche Stimmung versetzt zu haben, die sich nur durch schnelles Fahren besänftigen lässt. Die Straße zum Schloss
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