Cryptonomicon
Mrs. Tenney getippt worden, einer betagten Vikarswitwe, die in Bletchley Park arbeitet. Mrs. Tenney übt eine eigenartige Tätigkeit aus, die in Folgendem besteht: Sie nimmt zwei Blatt Durchschlagpapier, legt ein Blatt Kohlepapier dazwischen und spannt das Ganze in eine Schreibmaschine ein. Sie tippt oben eine Seriennummer. Dann dreht sie die Kurbel eines Geräts, wie man es in Bingohallen benutzt; es besteht aus einem sphärischen Käfig mit fünfundzwanzig Holzkugeln, auf die jeweils ein Buchstabe aufgedruckt ist (der Buchstabe J wird nicht verwendet). Nachdem sie den Käfig genau so oft gedreht hat wie im Verfahrenshandbuch vorgeschrieben, schließt sie die Augen, greift durch eine Klappe in die Trommel und nimmt aufs Geratewohl eine Kugel heraus. Sie liest den Buchstaben von der Kugel ab und tippt ihn, legt die Kugel dann zurück, schließt die Klappe und wiederholt den Vorgang. Von Zeit zu Zeit kommen ernst dreinschauende Männer ins Zimmer, tauschen Höflichkeiten mit ihr aus und nehmen die Blätter mit, die sie produziert hat. Diese Blätter gelangen in den Besitz von Leuten wie Waterhouse und Leuten in ungleich verzweifelteren und gefährlicheren Umständen überall auf der Welt. Man nennt sie Einmalblöcke.
Waterhouse schreibt die Buchstaben des Einmalblocks in die freien Zeilen unter seiner Mitteilung:
ZWEIA
ATHOP
UFVIE
COGNQ
RBRET
DLTUI
TEREI
CAPRH
NHUND
MULEP
Als er damit fertig ist, sind jeweils zwei von drei Zeilen beschrieben.
Schließlich kehrt er an den Anfang der Seite zurück und nimmt sich jeweils zwei Buchstaben auf einmal vor. Der erste Buchstabe der Mitteilung ist Z. Der erste Buchstabe des Einmalblocks, der in derselben Spalte unmittelbar darunter steht, ist A.
A ist der erste Buchstabe des Alphabets, und so stellt ihn sich Waterhouse, der diese Verschlüsselei schon viel zu lange betreibt, als gleichbedeutend mit der Zahl 1 vor. Ebenso entspricht Z der Zahl 25, wenn man mit einem Alphabet ohne J arbeitet. Addiert man 1 und 25, erhält man nach herkömmlicher Arithmetik 26, was keine Buchstabenentsprechung hat; es ist zu groß. Doch es ist schon viele Jahre her, dass Waterhouse nach herkömmlicher Arithmetik gerechnet hat. Er hat seinen Verstand auf modulare Arithmetik umgeschult – und zwar auf Modulo 25, was bedeutet, dass man alles durch 25 teilt und nur den Rest berücksichtigt. 26 geteilt durch 25 ergibt 1 Rest 1. Die 1 entspricht dem Buchstaben A. Somit trägt Waterhouse in der ersten Spalte unter Z und A ein A ein.
Das nächste vertikale Paar ist W und T bzw. 22 und 19. 41 geteilt durch 25 ergibt 1 Rest 16. Man lässt die 1 außer Acht und die 16 entspricht dem Buchstaben Q, den Waterhouse in die zweite Spalte einträgt. In der dritten Spalte ergeben E und H 5 + 8 = 13, was N entspricht. In der vierten ergeben I und O 9 + 14 = 23, was X entspricht. Und in der fünften ergeben A und P 1 + 15, was 16 bzw. Q ergibt. Dementsprechend sieht die erste Codegruppe folgendermaßen aus:
ZWEIA
ATHOP
AQNXQ
Indem er der Sinn tragenden Sequenz ZWEIA die Zufallssequenz ATHOP hinzuaddiert, erzeugt Waterhouse ein nicht entschlüsselbares Kauderwelsch. Nachdem er die gesamte Mitteilung auf diese Weise verschlüsselt hat, nimmt er ein neues Blatt, auf das er lediglich den Schlüsseltext – AQNXQ usw. – abschreibt.
Der Duke besitzt ein gusseisernes Telefon, das er Waterhouse zur Verfügung gestellt hat. Waterhouse hievt den Hörer von der Gabel, wählt die Vermittlung, meldet ein Gespräch mit dem Flottenstützpunkt auf der anderen Seite der Insel an und wird mit einem Funker verbunden. Diesem liest er den Schlüsseltext Buchstabe für Buchstabe vor. Der Funker notiert ihn und teilt Waterhouse mit, dass er umgehend gesendet wird.
Sehr bald wird Colonel Chattan in Bletchley Park einen Funkspruch erhalten, der mit AQNXQ beginnt und in dieser Art weitergeht. Chattan besitzt das andere Exemplar von Mrs. Tenneys Einmalblock. Er wird zunächst den Schlüsseltext niederschreiben und dabei nur jede dritte Zeile verwenden. Unter den Schlüsseltext wird er den Text des Einmalblocks eintragen:
AQNXQ
ATHOP
Dann wird er subtrahieren, wo Waterhouse addiert hat. A minus A entspricht 1 minus 1, was gleich 0 – oder 25 – ist, was den Buchstaben Z ergibt. Q minus T entspricht 16 minus 19, was gleich -3 ist, was uns 22 liefert, was W entspricht. Und so weiter. Wenn er die Mitteilung entschlüsselt hat, wird er sich an die Arbeit machen und irgendwann werden auf der Pier hundert 2x4-Bretter
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