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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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mein ständiger Begleiter«, sagt er. »Du musst dich unbedingt über diese Röhren informieren, Lawrence. Sonst ist deine Bildung unvollständig. Nicht zu fassen, wie viele Jahre ich mit Zahnrädern verschwendet habe! Gott!«
    »Deine Zeta-Funktions-Maschine? Ich fand sie schön«, sagt Lawrence.
    »Das gilt für viele Dinge, die ins Museum gehören«, sagt Alan.
    »Das ist sechs Jahre her. Du hast mit der damals verfügbaren Technik arbeiten müssen«, sagt Lawrence.
    »Aber Lawrence! Du überraschst mich! Wenn es mit verfügbarer Technik zehn Jahre dauert, die Maschine herzustellen, und mit einer neuen Technik nur fünf, und wenn es nur zwei Jahre dauert, die neue Technik zu erfinden, dann schafft man es in sieben Jahren, indem man zuerst die neue Technik erfindet.«
    »Touché.«
    »Das da ist die neue Technik«, sagt Alan und hält das RCA Radio Tube Manual hoch wie Moses, der eine Gesetzestafel schwingt. »Wenn ich nur die Geistesgegenwart gehabt hätte, diese Röhren zu verwenden, hätte ich die Zeta Funktions-Maschine viel eher bauen können, und andere noch dazu.«
    »Was für eine Maschine konstruierst du denn gerade?«, fragt Lawrence.
    »Ich spiele seit einiger Zeit Schach mit einem Burschen namens Donald Michie – einem Altphilologen«, sagt Alan. »Ich bin darin eine Niete. Aber der Mensch hat schon immer Werkzeuge konstruiert, um seine Fähigkeiten zu erweitern – warum also nicht eine Maschine, die mir Schach spielen hilft?«
    »Bekommt Donald Michie auch eine?«
    »Der kann sich selbst eine konstruieren!«, sagt Alan indigniert.
    Lawrence wirft einen eingehenden Blick in die Runde. Sie sind die einzigen Gäste und er bringt es einfach nicht über sich zu glauben, dass Mrs. Ramshaw eine Spionin ist. »Ich dachte, es hätte vielleicht etwas zu tun mit -«, sagt er mit einer Kopfbewegung in Richtung Bletchley Park.
    »Die bauen dort – und ich habe ihnen dabei geholfen – eine Maschine namens Colossus.«
    »Ich habe mir schon gedacht, dass du daran beteiligt bist.«
    »Sie entsteht aus alten Ideen – Ideen, über die wir schon vor Jahren in New Jersey geredet haben«, sagt Alan. Sein Ton ist forsch und wegwerfend, sein Gesicht düster. Mit einer Hand drückt er das RCA Radio Tube Manual an sich, mit der anderen kritzelt er in ein Notizbuch. Eigentlich, denkt Waterhouse, ist das RCA Radio Tube Manual eher eine Fessel, die Alan behindert. Wenn er wie ein richtiger Mathematiker einfach mit reinen Ideen arbeitete, würde er Lichtgeschwindigkeit erreichen. Aber Alan hat sich nun einmal von der Inkarnation reiner Ideen in der physischen Welt begeistern lassen. Die dem Universum zugrunde liegende Mathematik gleicht dem zum Fenster hereinströmenden Licht. Alan gibt sich nicht mit der bloßen Erkenntnis zufrieden, dass es hereinströmt. Er bläst Rauch in die Luft, um das Licht sichtbar zu machen. Er sitzt auf Wiesen, betrachtet Kiefernzapfen und Blumen, spürt den mathematischen Mustern in ihrer Struktur nach und träumt von Elektronenwinden, die über die glühenden Fäden und Gitter von Röhren streichen und in ihren Stößen und Wirbeln etwas von dem einfangen, was in seinem Gehirn vor sich geht. Turing ist weder ein Sterblicher noch ein Gott. Er ist Antaeus. Dass er eine Brücke zwischen der mathematischen und der physischen Welt schlägt, ist zugleich seine Stärke und seine Schwäche.
    »Warum bist du so gedrückt?«, fragt Alan. »Woran arbeitest du in letzter Zeit?«
    »Derselbe Kram in anderem Kontext«, sagt Waterhouse. Mit diesen fünf Worten vermittelt er vollständig, was er für die Kriegsanstrengung getan hat. »Zum Glück bin ich auf etwas gestoßen, was wirklich ziemlich interessant ist.«
    Alan scheint von dieser Mitteilung erfreut und fasziniert, als sei die Welt schon seit ungefähr zehn Jahren vollkommenen frei von interessanten Dingen und Waterhouse sei auf einen seltenen Fund gestoßen. »Erzähl mir davon«, drängt er.
    »Es ist ein kryptoanalytisches Problem«, sagt Waterhouse. »Nicht Enigma.« Er erzählt die Geschichte der Meldungen von U-553. »Als ich heute Morgen nach Bletchley Park gekommen bin«, schließt er, »habe ich herumgefragt. Sie haben gesagt, sie rennen sich schon genauso lange wie ich die Köpfe an dem Problem ein, ohne jeden Erfolg.«
    Plötzlich macht Alan ein enttäuschtes und gelangweiltes Gesicht. »Es muss ein Einmalblock sein«, sagt er. Seine Stimme klingt vorwurfsvoll.
    »Das kann nicht sein. Der Schlüsseltext ist nicht ohne Muster«, sagt

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