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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Bletchley Park sie knacken können, es sei denn, man hat sich dort irgendwie eine Abschrift des Blocks beschafft. Er hofft fast, dass man ihm dort sagt, das sei der Fall, damit er aufhören kann, mit dem Kopf gegen diese spezielle Wand zu laufen.
    In gewisser Weise würde das aber mehr Fragen aufwerfen als beantworten. Angeblich sind die Deutschen doch der Ansicht, dass der vierwalzigen Enigma der deutschen Kriegsmarine, der Triton, durch Kryptoanalyse nicht beizukommen ist. Warum hat der Skipper von U-553 dann sein eigenes Privatsystem für bestimmte Mitteilungen benutzt?
    Die Lokomotive fängt an zu zischen und zu fauchen wie das House of Lords, während aus dem Terminal Bewohner von Inner Qwghlm kommen und ihre Plätze im Zug einnehmen. Ein alter Mann, der Zeitungen vom vergangenen Tag, Zigaretten und Süßigkeiten verkauft, kommt durch den Waggon und Waterhouse kauft von allem etwas. Der Zug ruckt gerade an, als Waterhouses Auge auf die Schlagzeile der Zeitung fällt: YAMAMOTOS FLUGZEUG ÜBER DEM PAZIFIK ABGESCHOSSEN – ARCHITEKT VON PEARL HARBOR GILT ALS TOT.
    »Bis demnächst dann, Malaria«, murmelt Waterhouse vor sich hin. Und noch ehe er weiterliest, legt er die Zeitung hin und macht sein Päckchen Zigaretten auf. Dafür wird er viele Zigaretten brauchen.
     
     
     
    Einen Tag und eine ganze Menge Teer und Nikotin später steigt Waterhouse aus dem Zug und geht zur Vordertür von Bletchley Depot hinaus in einen blendenden Frühlingstag. Die Blumen vor dem Bahnhof blühen, es weht eine warme südliche Brise und Waterhouse kann es fast nicht ertragen, die Straße zu überqueren und irgendeine fensterlose Baracke im Bauch von Bletchley Park zu betreten. Er tut es trotzdem und wird davon unterrichtet, dass er im Augenblick keine Pflichten hat.
    Nachdem er in anderen Angelegenheiten ein paar andere Baracken aufgesucht hat, wendet er sich nach Norden, geht zu Fuß drei Meilen bis in den Weiler Shenley Brook End und betritt das Crown Inn, wo die Eigentümerin, Mrs. Ramshaw, seit dreieinhalb Jahren ein ordentliches Geschäft damit macht, sich um verirrte, heimatlose Cambridge-Mathematiker zu kümmern.
    Über zwei, drei Stühle gefläzt, sitzt Dr. Alan Mathison Turing an einem Fenstertisch, in einer auf den ersten Blick sehr unbequemen Haltung, die nach Waterhouses Überzeugung jedoch ungemein praktisch ist. Auf dem Nachbartisch steht ein voller Krug mit etwas RötlichBraunem; Alan ist zu beschäftigt, um es zu trinken. Der Rauch seiner Zigarette bringt ein durchs Fenster dringendes Sonnenlichtprisma zum Vorschein, dessen Mitte ein mächtiges Buch einnimmt. Alan hält das Buch mit einer Hand. Den Handteller der anderen hat er sich gegen die Stirn gedrückt, als könnte er mittels einer Art Direktübertragung die Daten vom Buch ins Gehirn befördern. Die Finger krümmen sich in die Luft und zwischen ihnen ragt eine Zigarette hervor, deren Aschekegel gefährlich über seinem dunklen Haar schwebt. Seine Augen sind starr, überfliegen nicht die Seite, und ihr Brennpunkt liegt irgendwo in weiter Ferne.
    »Konstruieren wir mal wieder eine Maschine, Dr. Turing?«
    Die Augen beginnen sich schließlich zu bewegen, drehen sich dem Stimmengeräusch des Besuchers zu. »Lawrence«, sagt Alan ruhig, als er die Stimme erkennt. Dann, noch einmal, mit Wärme: »Lawrence!« So energisch wie nur je rappelt er sich auf und tritt vor, um Lawrence die Hand zu geben. »Schön, dich zu sehen!«
    »Ganz meinerseits, Alan«, sagt Waterhouse. »Willkommen zu Hause.« Wie immer ist er angenehm überrascht von Alans Begeisterung, der Intensität und Reinheit seiner Reaktionen auf alles.
    Und er ist gerührt von Alans offener, aufrichtiger Zuneigung zu ihm. Alan hat sie nicht so ohne weiteres und leichthin geschenkt, doch als er beschloss, sich mit Waterhouse anzufreunden, hat er es auf eine Weise getan, die von amerikanischen oder heterosexuellen Vorstellungen von männlichem Verhalten frei ist. »Bist du den ganzen Weg von Bletchley zu Fuß gegangen? Mrs. Ramshaw, eine Erfrischung!«
    »Mann, es sind doch nur drei Meilen«, sagt Waterhouse.
    »Bitte setz dich zu mir«, sagt Alan. Dann hält er inne, runzelt die Stirn und sieht ihn fragend an. »Wie hast du eigentlich erraten, dass ich wieder dabei bin, eine Maschine zu konstruieren? Bloß eine Vermutung aufgrund früherer Beobachtungen?«
    »Deine Lektüre«, sagt Waterhouse und deutet auf Alans Buch: RCA Radio Tube Manual .
    Alan bekommt einen wilden Blick. »Das Ding ist seit einiger Zeit

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