Cryptonomicon
versuchte, es über seinem Sitz im Gepäcknetz zu verstauen. Nicht zufällig lag ihm, der Spezialist für Funkübertragung war, das Analoge aus früheren Zeiten mehr.
Als die Paket-Funkübertragung als Alternative zum Verschicken von Daten über Leitungen an Bedeutung gewann, zog Pekka nach Menlo Park und trat in ein neu gegründetes Unternehmen ein. Seine Firma kaufte ihre Ausrüstung in Secondhand-Computerläden, und Pekka ergatterte schließlich einen hübschen, für die anpassungsfähigen Augen eines Vierundzwanzigjährigen genau richtigen hochauflösenden Neunzehn-Zoll-Mehrfrequenz-Bildschirm. Den schloss er an eine leicht abgenutzte Pentium-Box mit einem Riesenhauptspeicher an.
Darauf installierte er Finux, ein freies UNIX-Betriebssystem, das Finnen geschaffen und über das Netz weltweit vertrieben hatten, gleichsam um dem Rest der Welt zuzurufen: »Da könnt ihr mal sehen, wie unheimlich wir sind!« Natürlich war Finux unglaublich leistungsfähig und flexibel und ermöglichte es einem, die Videoschaltung des Geräts bis zum n-ten Grad zu kontrollieren und, wenn man sich für solche Dinge interessierte, viele verschiedene Zeilenabtastfrequenzen und Pixeltakte einzustellen. Pekka interessierte sich sogar sehr dafür und richtete wie viele Finux-Fuzzis sein Gerät so ein, dass es, je nach seiner Wahl, eine Menge winzig kleiner Pixels (die viel Information transportierten, aber in den Augen wehtaten) oder eine geringere Anzahl größerer Pixels (die er meistens benutzte, wenn er schon vierundzwanzig Stunden am Stück gehackt und der Tonus seiner Augenmuskulatur nachgelassen hatte) oder eine Einstellung dazwischen anzeigte. Wechselte er von einer Einstellung zu einer anderen, wurde der Bildschirm eine Sekunde lang schwarz und von innen kam ein hörbares Knacken, wenn die mitschwingenden Kristalle auf einen anderen Frequenzbereich umschalteten.
Eines Morgens um drei Uhr leitete Pekka diesen Vorgang ein, und unmittelbar nachdem der Bildschirm schwarz geworden war und das Knacken von sich gegeben hatte, explodierte er mitten in sein Gesicht. Die Vorderseite der Bildröhre bestand aus schwerem Glas (das musste sie auch, um dem inneren Vakuum standzuhalten), das zersplitterte und Pekka ins Gesicht, gegen den Hals und den Oberkörper flog. Genau die Phosphorteilchen, die kurz zuvor unter dem wobbelnden Elektronenstrahl geleuchtet und Informationen in Pekkas Augen übermittelt hatten, waren jetzt physisch in sein Fleisch eingebohrt. Ein großes Stück Glas erwischte eins seiner Augen und drang fast bis in sein Gehirn. Ein anderes durchstach ihm den Kehlkopf, ein weiteres zischte seitlich an seinem Kopf vorbei und riss ihm ein sauberes Dreieck aus dem linken Ohr.
Pekka war mit anderen Worten das erste Opfer des Digibombers. Er wäre fast an Ort und Stelle verblutet und seine Mit-Eutropianer schlichen tagelang mit Freonbehältern um sein Krankenhausbett herum, um sofort aktiv werden zu können, falls er sterben sollte. Aber das tat er nicht, und er bekam sogar noch mehr Presse, weil seine junge Firma ihn nicht krankenversichert hatte. Nach vielen Artikeln in den Lokalzeitungen, in denen man sich händeringend fragte, warum dieser arme Unschuldige aus dem Land des verstaatlichten Gesundheitswesens nicht die Geistesgegenwart besessen hatte, eine Krankenversicherung abzuschließen, spendeten irgendwelche Hightech-Typen Geld, um seine Arzt- und Krankenhausrechnungen zu bezahlen und ihn mit einem Sprechcomputer wie dem von Stephen Hawking auszustatten.
Und jetzt ist Pekka hier, sitzt in Cantrells Hotelzimmer. Sein Cello steht in der Ecke, um den Steg herum staubig vom Kolophonium.Vor sich hat er eine weiße Wand, an die er mit Isolierband in präzisen Schleifen und Windungen ein Bündel Drähte geklebt hat. Diese führen zu ein paar selbst gebastelten Schalttafeln, die ihrerseits mit seinem Laptop verbunden sind.
»Hallo Randy, herzlichen Glückwunsch zu eurem Erfolg«, sagt eine computererzeugte Stimme, kaum dass die Tür sich hinter Randy und Cantrell geschlossen hat. Das ist eine kleine Begrüßung, die Pekka offensichtlich in Erwartung seines Kommens im Voraus eingegeben hat. Von alledem findet Randy nur die Tatsache merkwürdig, dass Pekka zu glauben scheint, Epiphyte hätte bereits irgendeinen Erfolg zu verbuchen.
»Wie läuft’s?«, fragt Cantrell.
Pekka tippt eine Antwort ein. Dann legt er eine Hand gewölbt an sein verstümmeltes Ohr, während er mit der anderen seinem Sprachgenerator das Einsatzzeichen gibt:
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