Cryptonomicon
will ich noch einmal wiederholen, was bereits in der Satzung steht, dass nämlich jeder aussteigen kann; wir würden eure Aktien dann zurückkaufen. Nach dem, was in den letzten paar Tagen hier passiert ist, bin ich zuversichtlich, dass wir dafür genug Geld aufbringen könnten. Für euch würde dabei wenigstens so viel herausspringen, wie wenn ihr zu Hause geblieben und einer regulären Angestelltentätigkeit nachgegangen wärt.«
Jüngere, weniger erfahrene Hightech-Unternehmer hätten dafür nur bissigen Spott übrig gehabt. In dieser Truppe dagegen ist jeder schon von der Tatsache beeindruckt, dass Avi eine Firma aufbauen und so lange am Leben erhalten kann, dass sie die Arbeit wert ist, die sie hineingesteckt haben.
Der schwarze Mercedes fährt vor. Dr. Mohammed Pragasu geht mit großen Schritten auf ihn zu, begrüßt die Südamerikaner in einem durchaus passablen Spanisch und stellt einige Leute einander vor. Die verstreuten Grüppchen von Geschäftsleuten kommen langsam näher heran und versammeln sich vor dem Eingang der Höhle. Prag zählt die Köpfe, um die Anwesenheit festzustellen. Jemand fehlt.
Ihr Handy an den Kopf geklemmt, bahnt sich eine der Gehilfinnen des Dentisten in lavendelfarbenen Pumps einen Weg zu Prag. Randy setzt sich von den Epiphyte-Leuten ab und geht auf Kollisionskurs; er gelangt rechtzeitig in Prags Nähe, um mitzubekommen, wie die Frau zu ihm sagt: »Dr. Kepler wird später zu uns stoßen – irgendein wichtiges Geschäft in Kalifornien. Er lässt sich entschuldigen.«
Dr. Pragasu nickt munter, vermeidet es irgendwie, Randy, der jetzt so nah ist, dass er Prag die Zähne putzen könnte, in die Augen zu sehen, und dreht sich um, während er sich den Schutzhelm auf sein glänzendes Haar drückt. »Alles folgt mir bitte«, verkündet er, »die Tour beginnt.«
Es ist eine langweilige Tour, selbst für die, die noch nie hier gewesen sind. Immer wenn Prag sie an eine andere Stelle führt, schauen alle sich um und versuchen, sich zurechtzufinden; für zehn oder fünfzehn Sekunden verebbt die Unterhaltung, kommt dann aber wieder in Gang. Die hochrangigen Manager starren mit leerem Blick die Wände aus behauenem Stein an und murmeln einander etwas zu, während ihre technischen Berater sich um die Ingenieure von Goto scharen und ihnen akademische Fragen stellen.
Sämtliche Bauingenieure arbeiten für Goto und sind natürlich Japaner. Dann ist da noch einer, der abseits steht. »Wer ist der pummelige Blonde da?«, fragt Randy Tom Howard.
»Ein deutscher Hoch- und Tiefbauingenieur, der in Leiharbeit bei Goto ist. Er scheint auf militärische Belange spezialisiert zu sein.«
» Gibt es denn militärische Belange?«
»Irgendwann, als das Projekt ungefähr zur Hälfte fertig war, beschloss Prag plötzlich, dass er das ganze Ding bombensicher haben wollte.«
»Aha. Meint er damit zufällig die Bombe?«
»Ich glaube, dazu will er gerade etwas sagen«, sagt Tom und führt Randy näher heran.
Jemand hat den deutschen Ingenieur soeben gefragt, ob der Ort atombombensicher sei.
»Schutz vor Atombombenangriffen ist nicht das Problem«, sagt er wegwerfend. »Der ist leicht zu erreichen – er erfordert lediglich, dass das Bauwerk einem kurzen Überdruck von so vielen Megapascal standhalten kann. Sehen Sie, die Hälfte von Saddams Bunkern waren technisch gesehen atombombensicher. Das hilft allerdings nicht gegen den Einschlag gelenkter Präzisionsbomben – wie die Amerikaner bewiesen haben. Und es ist viel wahrscheinlicher, dass dieses Gebäude auf solche Weise angegriffen wird, als dass eine Atombombe darauf fällt – wir erwarten nicht, dass der Sultan in einen Atomkrieg verwickelt wird.«
Das ist das Witzigste, was bislang an diesem Tag gesagt wurde, und erntet Gelächter.
»Zum Glück«, fährt der Deutsche fort, »ist das Felsgestein über uns wesentlich widerstandsfähiger als Stahlbeton.Wir kennen keine in die Erde eindringende Bombe, die ihn durchbrechen könnte.«
»Was ist mit dem Forschungs- und Entwicklungsprojekt, das die Amerikaner an der libyschen Anlage durchgeführt haben?« fragt Randy.
»Ach, Sie sprechen von der Gasfabrik in Libyen, die unter einem Berg versteckt war«, erwidert der Deutsche ein wenig nervös und Randy nickt.
»Der Fels in Libyen ist so spröde«, sagt der Deutsche, »dass man ihn mit einem Hammer zerschlagen kann. Hier haben wir es mit einem anderen Felsgestein in vielen Schichten zu tun.«
Randy wechselt einen Blick mit Avi, der aussieht, als würde
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