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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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ein paar Vermutungen anstellen«, sagt Beryl. 16
    An: [email protected]
    Von: [email protected]
    Betreff: Re (7) Warum?
    Randy,
    Sie fragen, woher ich diese Dinge über Sie weiß. Es gibt vieles, was ich sagen könnte, aber die wesentliche Antwort heißt Überwachung.
    - ANFANG ORDO SIGNATUR BLOCK – (etc.)
    - ENDE ORDO SIGNATUR BLOCK -
    Randy glaubt, dass es keinen besseren Zeitpunkt für diese Frage gibt. Und da er Avi schon länger kennt als irgendjemand sonst, ist er der Einzige, der es sich erlauben kann, sie zu stellen. »Wollen wir wirklich mit diesen Leuten zu tun haben?« fragt er. »Ist die Epiphyte Corp. dazu da? Sind wir dazu da?«
    Avi stößt einen tiefen Seufzer aus und denkt eine Weile darüber nach. Beryl schaut ihn forschend an; Eb und John und Tom mustern ihre Schuhspitzen oder halten in den drei Etagen des Regenwaldes nach exotischen Vögeln Ausschau, während sie angespannt zuhören.
    »Früher, zur Goldgräberzeit, hatte jede Goldgräberstadt in Kalifornien ihren Nerd mit der Waage«, sagt Avi. »Den Prüfer. Er hockte den ganzen Tag in einem Büro. Schaurig aussehende Proleten kamen mit Tabaksbeuteln voller Goldstaub herein. Der Nerd wog ihn, prüfte ihn auf Reinheit, sagte ihnen, was das Zeug wert war. Im Grunde war die Waage des Prüfers die Wechselstelle – der Ort, wo dieses Mineral, dieser Bodenstaub zu Geld wurde, das in jeder Bank und auf jedem Markt der Welt von San Francisco über London bis Peking als solches anerkannt wurde. Aufgrund seiner speziellen Kenntnisse konnte der Nerd Staub mit seinem Gütesiegel versehen und ihn damit zu Geld machen. Genau wie wir die Macht haben, Bits in Geld zu verwandeln.
    Nun waren viele der Leute, mit denen dieser Nerd zu tun hatte, unglaublich miese Typen. Spelunkenhänger. Ausgebrochene Häftlinge aus aller Welt. Psychotische Revolverhelden. Leute, die sich Sklaven hielten und Indianer massakrierten. Ich wette, dass der Nerd den ersten Tag, die erste Woche, den ersten Monat oder das erste Jahr, nachdem er in die Goldgräberstadt gekommen war und seinen Laden aufgemacht hatte, Todesängste ausstand. Vermutlich hatte er auch moralische Bedenken – vielleicht sehr berechtigte«, fügt Avi mit einem Seitenblick auf Randy hinzu. »Manch einer von diesen Nerds der Pionierzeit hat sicher aufgegeben und ist wieder gen Osten gezogen. Aber wisst ihr was? Innerhalb einer überraschend kurzen Zeit wurde alles hübsch zivilisiert, in den Städten schossen Kirchen, Schulen und Universitäten aus dem Boden, die wüsten Burschen, die als Erste gekommen waren, wurden alle integriert, rausgeschmissen oder ins Gefängnis geworfen und nach den Nerds mit den Waagen wurden Boulevards und Opernhäuser benannt. Ist die Analogie jetzt klar?«
    »Die Analogie ist klar«, sagt Tom Howard. Ihn beunruhigt das am wenigsten von allen, Avi möglicherweise ausgenommen. Allerdings besteht sein Hobby auch im Sammeln und Benutzen seltener automatischer Schusswaffen.
    Niemand sonst wird einen Ton sagen; es ist Randys Aufgabe, sich quer zu stellen. »Äh, wie viele von diesen Prüfern sind denn auf der Straße erschossen worden, nachdem sie irgendeinem psychotischen Goldgräber ans Knie gepinkelt hatten?«, fragt er.
    »Darüber habe ich keine genauen Zahlen«, antwortet Avi.
    »Also ich bin nicht so ganz davon überzeugt, dass ich das hier brauche«, sagt Randy.
    »Diese Frage muss jeder von uns für sich entscheiden«, sagt Avi.
    »Und dann stimmen wir als Gesellschaft darüber ab, ob wir drin bleiben oder aussteigen – stimmt’s?«, sagt Randy.
    Avi und Beryl werfen sich bedeutungsvolle Blicke zu.
    »Auszusteigen wäre zu diesem Zeitpunkt – äh, schwierig«, sagt Beryl. Und fügt mit einem Blick in Randys Gesicht eilig hinzu: »Nicht für Einzelne, die vielleicht aus Epiphyte aussteigen möchten. Das ist einfach. Gar kein Problem. Aber für Epiphyte wäre ein Ausstieg aus, äh... <
    »Dieser Situation«, bietet Cantrell an.
    »Diesem Dilemma«, sagt Randy.
    Eb murmelt ein Wort auf Deutsch.
    »Dieser Gelegenheit«, kontert Avi.
    »… so gut wie unmöglich«, sagt Beryl.
    »Seht mal«, sagt Avi, »ich möchte nicht, dass irgendjemand sich gezwungen fühlt, trotz moralischer Bedenken in einer bestimmten Situation auszuharren.«
    »Oder die sofortige Hinrichtung im Schnellverfahren befürchten muss«, springt Randy ihm bei.
    »Genau. Nun haben wir alle wahnsinnig viel Arbeit in dieses Ding gesteckt, und diese Arbeit dürfte einen Wert haben. Um ganz offen und ehrlich zu sein,

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