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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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ich mich darauf konzentrieren, wie ich uns am Leben erhalte – die Sonne wird bald aufgehen und dann bekommen wir wirklich gewaltigen Ärger. Sie werden sich erinnern, dass Ihr Schiff unsere Position durchgegeben hat, bevor ich es versenkt habe. Mittlerweile ist jedes alliierte Flugzeug und Schiff auf der Suche nach uns.«
    »Das heißt, wenn ich kooperiere«, sagt Root, »können Sie sich wieder der Aufgabe zuwenden, uns am Leben zu erhalten.«
    Beck versucht, ein Lächeln zu unterdrücken. Sein kleines Täuschungsmanöver war von vornherein primitiv und offensichtlich, und Root hat es bereits durchschaut. Was diese ganze Verhörerei angeht, ist Beck, wenn überhaupt, sehr viel unbehaglicher zumute als Root.
    »Angenommen, ich sage Ihnen alles, was ich weiß«, sagt Root. »Wenn Sie das alles an Charlottenburg senden wollen, werden Sie stundenlang funken, und das in aufgetauchtem Zustand. Huffduff wird Sie in ein paar Sekunden ausfindig machen und dann wird sich jeder Zerstörer und Bomber im Umkreis von tausend Meilen auf Sie stürzen.«
    »Auf uns«, verbessert ihn Beck.
    »Ja. Wenn ich also wirklich am Leben bleiben will, ist es das Beste, ich halte den Mund«, sagt Root.
    »Suchen Sie das da?«, fragt der Deutsche mit dem Stethoskop – kein richtiger Arzt (wie Shaftoe erfahren hat), sondern bloß der Bursche, der zufällig für den Sanitätskasten zuständig ist. Jedenfalls hält er das Zeug in der erhobenen Hand. Genau das Zeug.
    »Her damit!«, sagt Shaftoe und grabscht schwächlich danach. »Das gehört mir!«
    »Nein, es gehört mir«, sagt der Sanitäter. »Ihres ist beim Kommandanten. Wenn Sie kooperativ sind, gebe ich Ihnen vielleicht was von meinem ab.«
    »Leck mich am Arsch«, sagt Shaftoe.
    »Na schön«, sagt der Sanitäter, »ich lasse es Ihnen da.« Er legt die Spritze voll Morphium auf die Pritsche gegenüber und unterhalb von Shaftoe, sodass Shaftoe sie zwischen zwei Knackwürsten hindurch sehen kann. Aber er kommt nicht dran. Dann geht der Sanitäter.
     
     
     
    »Wieso hat Sergeant Shaftoe ein deutsches Morphiumfläschchen und eine deutsche Injektionsspritze bei sich gehabt?«, sagt Beck fragend und gibt sich dabei alle Mühe, einen Plauder- und keinen Verhörton anzuschlagen. Aber die Anstrengung ist zu viel für ihn, und wieder versucht jenes Lächeln die Herrschaft über seine Lippen zu gewinnen. Es ist das Lächeln eines geprügelten Hundes. Root findet das ziemlich beunruhigend, da Beck dafür zuständig ist, sämtliche Insassen des Bootes am Leben zu erhalten.
    »Das ist mir neu«, sagt Root.
    »Morphium unterliegt strengen Vorschriften«, sagt Beck. »Jede Flasche hat eine Nummer. Wir haben die Nummer auf Sergeant Shaftoes Flasche bereits an Charlottenburg gefunkt und dort wird man bald wissen, wo sie herkommt. Auch wenn man es uns vielleicht nicht sagt.«
    »Gute Arbeit. Das müsste die dort eine Zeit lang beschäftigen. Warum führen Sie solange nicht wieder das Schiff?«, schlägt Root vor.
    »Im Moment herrscht noch die Ruhe vor dem Sturm«, sagt Beck, »und ich habe nicht so viel zu tun. Also versuche ich, meine Neugier im Hinblick auf Sie zu befriedigen.«
     
     
     
    »Wir sind am Arsch, stimmt’s?«, sagt eine deutsche Stimme.
    »Hä?«, macht Shaftoe.
    »Ich habe gesagt, wir sind am Arsch! Ihr habt die Enigma geknackt!«
    »Was ist die Enigma?«
    »Stellen Sie sich nicht blöd!«, sagt der Deutsche.
    Shaftoe verspürt ein Kribbeln im Nacken. Das hört sich genau nach der Art von Äußerung an, die ein Deutscher von sich geben würde, ehe er mit der Folter beginnt.
    Shaftoe legt sein Gesicht in den gelassenen, schwerlidrigen, leicht beschränkten Ausdruck, den er stets einsetzt, wenn er einen Offizier ärgern will. So gut es mit an die Koje geketteten Beinen geht, dreht er sich auf die Seite, dem Klang der Stimme zu. Er rechnet damit, einen SS-Offizier mit Adlernase, in schwarzer Uniform mit Reitstiefeln, Totenkopfinsignien und Reitpeitsche zu sehen, dessen in schwarzen Lederhandschuhen steckende Hände vielleicht mit einem Paar Daumenschrauben herumspielen.
    Stattdessen sieht er überhaupt niemanden. Scheiße! Schon wieder Halluzinationen!
    Dann beginnt sich der schmutzige Leinwandsack in der Koje gegenüber zu bewegen. Shaftoe blinzelt und macht einen Kopf aus, der am einen Ende daraus hervorragt: strohblond, aber mit vorzeitiger Halbglatze, in Kontrast dazu ein schwarzer Bart und katzenhafte, fahlgrüne Augen. Das Leinengewand des Mannes ist nicht direkt ein Sack,

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