Cryptonomicon
der Dentist an Bord der Rui Faleiro gab, mit Doug Shaftoe unterhalten. Er wollte, dass wir seine Firma, die Semper Marine Services, bei allen künftigen Kabelverlegearbeiten mit der Erstellung der Gutachten beauftragen. Im Gegenzug bot er an, uns an jedem gesunkenen Schatz, den er während der Arbeit an einem solchen Gutachten findet, zu beteiligen.«
Avi bleibt wie vom Blitz getroffen stehen und hält die Wasserflasche aus Angst, er könnte sie fallen lassen, mit beiden Händen fest. »Gesunkener Schatz, so à la ›Jo-ho-ho, und’ne Buddel voll Rum‹? Dukaten? Solches Zeug?«
»Dublonen. Aber dieselbe Grundidee«, sagt Randy. »Die Shaftoes sind Schatzsucher. Doug ist besessen von dem Gedanken, dass auf den philippinischen Inseln und um sie herum Unmengen von Schätzen liegen.«
»Woher? Von den spanischen Galeonen?«
»Nein. Das heißt, doch , schon. Aber darauf hat Doug es nicht abgesehen.« Er und Avi setzen sich wieder in Bewegung. »Das meiste davon ist entweder viel älter – Keramik von gesunkenen chinesischen Dschunken – oder viel jünger – japanisches Kriegsgold.«
Wie Randy erwartet hat, macht die Erwähnung von japanischem Kriegsgold gewaltig Eindruck auf Avi. Randy fährt fort. »Es heißt, die Japaner hätten eine Menge Gold in der Gegend zurückgelassen. Angeblich hat Marcos einen Riesenbatzen in irgendeinem Tunnel wiedergefunden – daher hat er sein ganzes Geld. Die meisten Leute glauben, Marcos habe so etwa fünf, sechs Milliarden Dollar besessen, aber auf den Philippinen sind viele Leute der Meinung, er habe ungefähr sechzig Milliarden gefunden.«
»Sechzig Milliarden!« Avi richtet sich kerzengerade auf. »Unmöglich.«
»Du kannst den Gerüchten Glauben schenken oder nicht, das ist mir egal«, sagt Randy. »Da es aber so aussieht, als würde einer von Marcos’ Schmiergeldverteilern zu den Gründungsmitgliedern der künftigen Krypta-Gesellschaft gehören, solltest du diese Dinge vielleicht doch wissen.«
»Sprich weiter«, sagt Avi, plötzlich ganz erpicht auf weitere Informationen.
»Gut. Auf der Suche nach dem legendären japanischen Kriegsgoldschatz haben die Leute also seit dem Krieg die Philippinen kreuz und quer durchforstet, Löcher gebohrt und den Meeresboden umgepflügt. Doug Shaftoe ist einer von diesen Leuten. Das Problem ist nur, dass ein detailliertes Flächenecholot-Gutachten der ganzen Gegend ziemlich teuer ist – man kann nicht einfach hergehen und es auf gut Glück durchführen. Als wir auftauchten, sah er seine Chance gekommen.«
»Verstehe. Sehr schlau«, sagt Avi anerkennend. »Er hat das Flächenecholot-Gutachten gemacht, das wir ohnehin brauchten, um die Kabel verlegen zu können.«
»Wo er schon mal draußen war, vielleicht ein bisschen mehr, als unbedingt nötig gewesen wäre.«
»Stimmt. Jetzt erinnere ich mich an eine wütende Mail von den One-Diligence-Harpyien des Dentisten, von wegen, die Erstellung des Gutachtens kostete zu viel und dauerte zu lang. Sie meinten, wir hätten eine andere Firma beauftragen und dieselben Ergebnisse schneller und billiger bekommen können.«
»Wahrscheinlich hatten sie Recht«, gibt Randy zu. »Jedenfalls wollte Doug einen Deal mit uns machen, der uns zehn Prozent von allem sicherte, was er finden würde. Und mehr, wenn wir die Kosten für die Bergungsarbeiten tragen.«
Mit einem Mal weiten sich Avis Augen und er holt mit offenem Mund tief Luft. »Ach du Scheiße«, entfährt es ihm. »Er wollte das Ganze vor dem Dentisten geheim halten.«
»Genau. Der Dentist würde sich nämlich am Ende alles unter den Nagel reißen. Und aufgrund seiner ganz besonderen häuslichen Situation würden die Bolobolos darüber Bescheid wissen. Diese Typen würden über Leichen gehen, wenn sie Gold in die Finger kriegen könnten.«
»Wow!«, sagt Avi kopfschüttelnd. »Ich will ja nicht wie der klischeehafte Jude erscheinen, den man in manchen Schnulzen sieht. Aber in Momenten wie diesem kann ich nur sagen ›Oy gevalt!‹«
»Ich habe dir aus zwei Gründen bisher nichts von diesem Deal erzählt, Avi. Zum einen ist es ja unser allgemeines Prinzip, nicht ohne Not über Dinge zu reden. Zum anderen hatten wir ohnehin schon beschlossen, Semper Marine Services zu beauftragen – und zwar nur ihrer Fähigkeiten wegen -, sodass Doug Shaftoes Vorschlag irrelevant war.«
Darüber denkt Avi nach. »Korrektur. Er war irrelevant, solange Doug Shaftoe keinen gesunkenen Schatz gefunden hatte .«
»Richtig. Und ich habe angenommen, er würde
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